Peter Wüthrich, Cactus Succulentus Literally, 2015, © der Künstler

Fiktive Buch­deckel

»Bibliomania« führt ­fantasievoll die Wandlungsfähigkeit des ­Buches in der Kunst vor

Wohin mit der Kunst, wenn die Wände voller Bücher sind? Oder andersherum gefragt: Warum noch Bilder, wenn schon das bunt sortierte Bücherregal ein Hingucker ist? Der Maler Ralph Fleck fand für die quälenden Fragen des Bil­dungs­­­bürgertums eine simple Antwort: Er hat ein Regal gemalt, das mit den seriell gestalteten Bän­den der edition suhrkamp bestückt ist. Doch die Titel der hier überwiegend gelben und orangen Umschläge der ikonischen Buchreihe lassen sich nicht genauer entziffern. Tritt man nämlich näher heran, verschwimmen sie und entpuppen sich als abstrakte Malerei.

Fleck ist nur einer der Künstler*in­nen, den die Magie und Aus­strah­lung von Bücherwänden fasziniert. Anne Berning fokussiert sich auf die Kunstbibliothek. Ihre überlebensgroßen Leinwände zeigen jeweils fiktive Rücken von Kunstbüchern geschätzter Kolleginnen und Kollegen. Andrea ­Tippel hat 108 Buntstiftzeichnungen für eine visionäre »Philoars Library« geschaffen. Sämtliche der rund 2000 Bücher sind allerdings reine Phantasiegespinste der Zeichnerin und Autorin. Weil sie als Digitaldrucke in Originalgröße reproduziert sind, kann man die Buch­titel genüsslich studieren und Tippels Gedanken zu Philosophie und Kunst folgen.

Dem einzelnen Buchdeckel, hinter dem sich komplexe Ge­schich­ten verbergen, geht Annette Kelm einprägsam nach. Die Fotografin hat die Originaleinbände der Bücher porträtiert, die unter den Nationalsozialisten auf der Liste »schädlichen und unerwünschten Schrifttums« standen und 1933 verbrannt wurden. Die von ihr streng auf weißem Grund inszenierten, verheißungsvollen Buchcover erinnern schmerzlich an all das vernichtete Kulturgut der Weimarer Republik.

Die ergiebige Themenaus­stellung zeigt auch Arbeiten mit vorgefundenen Büchern: Passend zur Sammlung des Kunstmuseums Villa Zanders, die sich der Kunst aus Papier widmet, nutzten Küns­tler (besonders erwähnenswert Hubertus Gojowczyk und Takako Saito) Bücher oder Zeitungen als Ausgangsmaterial, um sie durch Abschleifen, Aufkratzen Einweichen, Verschrauben, Demontieren oder Verformen in skulpturale Objekte zu verwandeln.

Dass jedes Buch aber nur eine Hülle und Idee bleibt, wenn es nicht gelesen wird, schwingt in vielen der über 40 Positionen mit. Das Entree zu »Bibliomania« bildet die »Bibliothek ungelesener Bücher« von Julius Deutschbauer, die die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität auf den Punkt bringt.

Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach, Di + Fr 14–18 Uhr, Mi + Sa 10–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, So 11–18 Uhr