Prepper aus Versehen

In der Krise gewinnt die Selbstversorgung an ­Bedeutung — sogar im Winter

Es wird Oktober, und die Reihen im Gemüsebeet lichten sich. Auberginen und Paprika sind geerntet, auch die Tomaten machen langsam schlapp. Doch die Zeiten, in denen man jetzt die Schaufel an den Nagel hängte und Erntedank feierte, sind vorbei. Jetzt gilt es, das ganze Jahr über zu gärtnern. Wintergärtnerei liegt im Trend — wie sollte es auch anders sein in Zeiten, in denen die Lebensmittelpreise steigen, und Frost und Schnee mehr oder weniger unbekannt geworden sind. Hinzu kommt: Einen 240 Quadratmeter großen Garten mitten in Köln zu haben, ist heutzutage ja ein großes Privileg. Es wäre geradezu dekadent, ihn ein halbes Jahr links liegen zu lassen.

Natürlich gibt es jetzt jede Menge neue Gartenblogs für Prepper, die akribisch vorrechnen, wie viel Quadratmeter mit welchem Gemüse belegt werden müssen, um eine Familie durch den Winter zu bringen. Es wird empfohlen, vor allem Kalorienreiches wie Mais und Haltbares wie Rüben anzubauen. Erleichtert musste ich feststellen, dass die Größe unseres Gemüsebeets für fünf Personen nicht annähernd ausreicht. Ich finde, ein bisschen lockerer kann man da schon herangehen. Ich empfehle Palmkohl: Von ihm kann man den ganzen Winter hindurch immer wieder Blätter abzupfen, die, in der Pfanne gedünstet, köstlich schmecken. Vor allem aber sieht er toll aus, wie eine kleine Palme eben, und das im Winter! Anderes Wintergemüse kommt da nicht heran. Wer sich den Lauch nach den ersten kalten Nächten so anguckt, mit seinem schlaffen, angegilbten Schopf, wundert sich nicht, dass er zum Schimpfwort geworden ist.


Wer sich den Lauch nach den ersten kalten Nächten so anguckt, wundert sich nicht, dass er zum Schimpfwort geworden ist

Kein Winterbeet darf auch ohne Rosenkohl auskommen. Und wer im Sommer Winterbrokkoli sät, kann sich schon ab März über die Ernte freuen, während anderswo noch nicht einmal die ersten Samen in der Erde sind. Aber damit soll es auch mal gut sein: Der Garten hat sowieso seine eigenen Pläne. Mit dem Salat zum Beispiel. Im Sommer haben wir ihn derart vernachlässigt, dass ich dachte, er wird nichts mehr. Doch jetzt holt er dermaßen auf, dass ich glaube, wir können sogar im Dezember noch davon ernten. Auch Erdbeeren tragen übrigens manchmal noch im Spätherbst. Einmal konnten wir sogar im November noch eine Handvoll grüne Bohnen ernten, weil wir aus Faulheit die Bohnenstangen nicht abgeräumt hatten. So sind wir aus Versehen doch noch zu Wintergärtnern geworden.