Zehn Jahre Kostenexplosionen: Oper am Offenbachplatz

»Das ist ein Novum«

Obwohl jedes Mal die kosten explodierten, planten Politik und Verwaltung immer neue Grossprojekte. Jetzt ­werden sie plötzlich infrage ­gestellt. Kommt Köln zur Besinnung?

Ob Oper, Jüdisches Museum, Verlängerung der Nord-Süd-Stadtbahn, die Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, Interim fürs Stadtmuseum oder die neuen Schau-Gewächs­häu­ser in der Flora: Überall steigen die Kosten. Inzwischen sorgt das nur noch kurz für Entsetzen — weil schon die nächste Hiobsbotschaft in einer Verwaltungsmitteilung auftaucht.

Umso bemerkenswerter, dass Stadtspitze und Ratsfraktionen nun diskutieren, ob Vor­haben auf Eis gelegt oder gar eingestellt werden sollen. Alles komme auf den Prüfstand, ­sicherte Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu. Die Linke lobt sie dafür. »Das ist ein Novum«, sagt Heiner Kockerbeck, Sprecher der Ratsfraktion. Auch Volt, kleinste Fraktion im Ratsbündnis mit Grünen und CDU, begrüßt den Vorstoß »zur Priorisierung« der Großprojekte: »Angesichts steigender Baukosten und Energiepreise ist diese Prüfung notwendig.« Im Herbst soll eine Übersicht der Kosten und Risiken vorliegen, die sich aus einem Stopp der Bauprojekte ergäben. Davon erhofft man sich eine Versachlichung der Diskussion.

Der Vorschlag dafür — von OB Reker und SPD fast gleichzeitig platziert — trifft während der Beratungen zum kommunalen Haushalt ein, in einer Zeit, in der die Energiekrise, der Krieg in der Ukraine, die Inflation und drohende Rezession im Alltag der Kölner spürbar werden. Reker sagte im August, als der Haushalt im Rat eingebracht wurde, die kommunalen Ressourcen müssten »mit Bedacht und behutsam« eingesetzt werden. Die Kostensteigerungen, insbesondere bei den städtischen Kulturbauten, sowie die Pläne für neue Großprojekte wirken da nur schwer vermittelbar.

Die mittlerweile zehn Jahre dauernde Kern­sanierung der Oper sollte rund 250 Mio. Euro kosten. Daraus sind mehr als 600 Mio. Euro geworden. Vielleicht wird sie zu diesem Preis tatsächlich in zwei Jahren fertig, aber daran glauben nur die wenigsten. Das Jüdische Museum, in das die Ausgrabungen des jüdischen Viertels neben dem Rathaus integriert werden, plant die Stadt mit dem Landschafts­verband Rheinland (LVR), der das Museum betreiben wird. Geplant waren Kosten von rund 125 Mio. Euro. Derzeit ruht die Baustelle, weil man sich mit einem Auftragnehmer streitet.

Seit Jahrzehnten bereits gibt es den Plan, das Wallraf-Richartz-Museum zu erweitern, als Bedingung für eine umfangreiche Schenkung. 95 Mio. Euro sollte der Anbau kosten und im Juli starten. Dann wurden Hohlräume im Baugrund entdeckt. Die Folgen: ungewiss.

Das Römisch-Germanische Museum ist seit vier Jahren geschlossen, weil es saniert werden muss. 91 Mio. statt der ursprünglich knapp 42 Mio. Euro soll das nun kosten. Nebenan soll bis 2029 die Historische Mitte entstehen: das Stadtmuseum, die Verwaltung der Domkirche sowie Büros für das Römisch-Germanische Museum sollen in den bereits entworfenen Gebäuden zusammengeführt werden — für 183 Mio. Euro. Ein Fünftel davon zahlt die Hohe Domkirche, den Rest die Stadt.

Ebenfalls nebenan wartet mit der Sanierung von Philharmonie und Museum Ludwig möglicherweise das nächste Desaster. Einer der am Bau beteiligten Architekten spekulierte jüngst in der Kölnischen Rundschau, das könne bis zu einer Milliarde Euro kosten.

Die Sanierung der Brücken, neue Rheinquerungen für Fußgänger und Radfahrer, der Ausbau der Ost-West-Achse, womöglich mit U-Bahn-­Tunnel — auch die Verkehrsplaner dürften ­gespannt auf die Liste der Vorhaben sein, die OB Reker und ihr Baudezernent Markus Greitemann im Herbst zur Diskussion stellen. FDP und Linke haben bereits betont, die Historische Mitte sei verzichtbar. Die Linke will vielmehr das Rechtsrheinische stärken und das Geld »eher in der Fläche« einsetzen. Das gelte auch für die Ost-West-Achse und den von SPD und CDU gewünschten U-Bahn-Tunnel: »Das Geld soll nicht im Zentrum der Stadt verbuddelt werden«, sagt Linken-Sprecher Heiner Kockerbeck. Den Anbau des Wallraf-Richartz-­Museums lehnt er ebenfalls ab.

Es dürfe keine Denkverbote geben, heißt es aus der SPD-Fraktion. Auch die Oper dürfe nicht tabu sein. »Die Stadt ist anscheinend nicht in der Lage, solche Großprojekte zu steuern«, sagt SPD-Fraktionschef Christian Joisten. Augen-zu-und-durch sei keine Strategie, am Ende fehle das Geld an anderer Stelle. Man müsse notfalls den Mut haben, die Oper woanders neu zu bauen und das Bestandsgebäude zu veräußern. »Die Oper erreicht mit ihrem Programm leider nur einen kleinen Teil der Kölner«, sagt Joisten. »Da ist es auf Dauer schwer zu vermitteln, dass die Opernbaustelle einen großen Teil der Haushaltsmittel verschlingt, ohne dass ein Ende absehbar ist.« Zu all den Fehlkalkulationen forderte die SPD im Rat im September ein »Untersuchungsgremium«, scheiterte damit aber.


Mit der Sanierung von Philharmonie und Museum Ludwig wartet womöglich das nächste Desaster — sie könnte eine Milliarde Euro kosten

Auch die FDP sieht die Stadt überfordert. Ihr Vorschlag: die gesamte Projektsteuerung an Privatunternehmen vergeben. Beim Schulbau — den übrigens alle Fraktionen als unantastbar deklarieren — sei das ein Erfolgsmodell. Auch die SPD kann sich das vorstellen, ebenso wie CDU-Chef Bernd Petelkau. Keinen Sinn sieht Petelkau aber in der Einstellung von Vorhaben. Ein Großteil seien Sanierungen, zu denen es keine Alternative gebe. Bei anderen Projekten wie der Historischen Mitte bestünden vertragliche Verpflichtungen, denen die Stadt nachkommen müsse. Petelkau weist vor allem einen Zusammenhang mit anderen Ausgaben in der Stadt zurück. Bauvorhaben können über Kredite finanziert werden und stehen im Haushalt am Ende als Investitionen auf der Haben-Seite. Die Kosten für die Finanzierung fielen angesichts des immer noch niedrigen Zinsniveaus und der Verteilung auf mehrere Jahre in einem 5-Milliarden-Haushalt nicht entscheidend ins Gewicht, sagt Petelkau. Verzicht auf neue Bauten oder Sanierungen er­mög­liche deshalb kaum neue Spielräume für Ausgaben im sozialen oder kulturellen Bereich, auch wenn das oft nahegelegt werde, so Petelkau. Lediglich die Belastung für die ohnehin knappen personellen Ressourcen der Stadtverwaltung lässt der CDU-Chef als Argument gelten, kritisiert die Debatte insgesamt aber als »Symbolpolitik«. Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende des grünen Bündnispartners, plädiert für eine »ehr­liche und sachorientierte Auseinandersetzung«. Sie befürchtet gleichwohl, dass die Debatte parteipolitisch instrumentalisiert werde. »Die Sprengkraft wird größer, wenn wir das politisieren«, sagt Martin. Sie könne nicht ausschließen, dass sich die Stadt von Großprojekten verabschieden müsse. Aber ihr Anspruch sei, dass es dafür eine breite Mehrheit im Rat gebe.