Unterwegs mit großem Kompass: The City’s Song, Foto: Sammy Van Cauteren

Wegmarken und Wurzeln

Der Kulturverein DIWAN bringt neue iranische Musik nach Köln

Thomas Noël nimmt sich die globale Landkarte der Musik zum Maßstab: Der Musik-Impresario und Multiinstrumentalist aus Gent reist zu den verschiedensten Orten, um dort Musikerinnen und Musiker zu treffen und mit ihnen ihre Stadt klanglich-künstlerisch zu karto­gra­fieren.

The City’s Song heißt sein Projekt, das er auch filmisch dokumen­tiert. Letzte Station: Teheran. Da­raus sind die »Tehran Sessions« hervorgegangen, eine Band mit der belgisch-iranischen Daf-(Percus­sion)-­Spielerin Farnoosh Khodadadeh und dem Teheraner Setar-Spieler Soroosh Gharahmanloo. Die Setar ist eine Langhalslaute, ein klassisches Instrument klassischer persischer Musik. Soroosh spielt die Setar aber elektrisch verstärkt und katapultiert sich damit sofort in andere Klangwelten: Blues und Rock durchbrechen die persischen Melodien, die Improvisationen öffnen sich dem Jazz.

Die »Tehran Sessions« klingen, trotz der geradezu fragilen Instrumentierung, dicht und fordernd. Als Einladung an die ­Zuhörer spielen sie zugängliche, mehr westlich assoziierte Songs, aber das Spiel, was sich daraus entwickelt, ist eine radikale Ost-West-Begegnung, wie sie Noël und Gharahmanloo von Anfang an im Sinn hatten.

Für Kaveh Schmitz, der für den deutsch-iranischen Kulturverein DIWAN die Band in Köln veranstal­ten wird, schließt sich damit der Kreis. Schmitz hörte Soroosh Gharahmanloo vor neun Jahren auf dem »New Sounds of Iran«-Festival, das ­DIWAN damals veranstaltete und mit dem der 2010 gegründete Verein sich einer großen Öffentlichkeit präsentierte. Schmitz lebte da schon zehn Jahre in Köln. Er war nach der Jahrtausendwende aus Teheran gekommen, um hier Informatik zu studieren — und blieb in Köln. »Ich habe Metallica gehört, Rockmusik«, sagt er. In Teheran galten damals Bands als cool, die westliche Musik in die Stadt brachten und etwa wie die Dire Straits klangen.

Nioosh, so hieß die Band, mit der Gharahmanloo in Köln auftrat, zeigte aber, dass es auch ganz anders geht, dass sich die Musikstile mischen lassen und sich Teheraner Kultur und westliche Popmusik gegenseitig bereichern. Für Schmitz eine Initialzündung. »Ich wollte, dass diese Musik auch in Zukunft in Köln zu hören sein wird!« Er trat 2015 in DIWAN ein und ist heute Vorstandsvorsitzender.


Akzent zu sprechen war verpönt. Das hat sich gewandelt, mit Akzent zu singen wird heute in der Musik sehr begrüßt
Kaveh Schmitz

Über einen iranischen Bekann­­­­­ten stieß er dann auf Thomas Noël und dessen Projekte, er hörte von einem sagenhaften Setar-Spieler, mit dem Noël zusammenar­beitet, erkundigte sich nach dem Namen — und es war Soroosh! Keine Frage, dass The City’s Song nach Köln kommen muss.

Die Popmusik aus dem Iran heute sei viel experimenteller, sagt Schmitz, »die Stile mixen sich, vor allem spielen die Musiker mit Sprache, verfremden die klassische persische Gedichtform«. Für ihn ist das das stärkste Zeichen, dass die iranische Musik im Umbruch ist: »Die Minderheiten bringen viel selbstbewusster ihre Sprache ein, ihre Musiktraditionen. Noch vor einigen Jahren haben sie versucht, neutral zu klingen. Akzent zu spre­chen war zum Beispiel in der Schule verpönt. Das hat sich gewandelt, mit Akzent zu singen wird heute in der Musik sehr begrüßt.«

Diese Entwicklung möchte ­DIWAN in Köln bekannter machen weil sie zeigt, dass eine globale Pop­­­kultur nicht von einem hegemonia­len (westlichen Rock-, Techno- oder HipHop-)Block ausgeht, sondern sie sich in vielen lokalen, eigensinnigen und idiosynkratischen Szenen ereignet. Und nicht zuletzt passt diese Popmusik zur Lebenswirklichkeit der großen iranischen Community in und um Köln. DIWAN sieht sich da — wie­de­rum: ganz klassisch — als Brückenbauer zwischen dieser Community und einem nicht-­ira­ni­schen Publikum.

Schmitz nimmt deshalb auf Hip­Hop Bezug, wie er sich in Deutschland aus einer migrantischen Szene entwickelt habe. Die Stärke dieser Kultur sei es gewesen, »in einer neuen Umgebung neue Musik machen — aber mit den Wurzeln der Herkunft. Meine Vision ist: Wir wollen die Musik aus dem Iran nicht konservieren und einfach mitbringen, sondern sie hier in Köln neu erproben.« The City’s Songs »Tehran Sessions« sind dafür eine besonders schöne Wegmarke. Denn die Band zeigt, dass der Klang einer Stadt nicht ­fixiert ist, sondern immer in Bewegung.