Katastrophale Wellenbrecher, Foto: © Silent Voice LLP

Falsches Leben, richtige Filme

Atomkatastrophe, DEFA-Schätzchen, BRD noir

Das Japanische Kulturinstitut zeigt im Rahmen einer Hamaguchi Ryūsuke-Werkschau seine gemeinsam mit Sakai Kō verwirklichte »Tohoku Documentary Trilogy« über das Tōhoku-­Erdbeben-Tsunami-Atomreaktorkollaps-Desaster von 2011. Der erste Teil »Sound of the Waves« (2011) zieht Parallelen zwischen der aktuellen Katastrophe und einer ähnlich verheerenden aus dem Jahr 1933. Der aus zwei Filmen bestehende Teil Zwei »Voices from the Waves / Kesennuma« kehrt ein Jahr darauf in die Region zurück, spricht jedoch an anderen Orten mit Überlebenden über deren Verluste — und über Wege weiterzuleben. Mit dem abschließenden »Storytellers« (2013) bewegt sich das Projekt weg von der eigentlichen Katastrophe hin zu einer Volkskultur des Erzählens von Geschichten über Geister und Dämonen — also zur Frage, wie man dem Furchtbaren einen Sinn verleiht. Bei aller Wertschätzung für den Spielfilmregisseur Hamaguchi (»Drive my Car«): »Tohoku Documentary Trilogy« ist vielleicht seine gewaltigste wie wichtigste Arbeit.

Im Oktober muss es im Filmclub 813 DEFA-Filme zu sehen geben, schließlich wird dort noch der Tag der Republik am 7.10. gefeiert. Diesmal zeigt man Unbekanntes aus der DDR-Filmgeschich­te, was zur Vorführung einiger ungewöhnlicher Werke führt. Werner Bergmanns »Nachtspiele« (1979) ist ein Kuriosum, nämlich der Versuch, DEFA-Realismus mit einer gewissen veristischen Verve zu wuppen. Helmut Dziubas »Erscheinen Pflicht« (1984) wiederum besticht durch eine ungewöhnlich ernüchtert-fragende Haltung zur DDR. Nicht feindselig, aber durchaus die internen Probleme benennend.

Ganz kurz nur erwähnt seien hier drei Schätze des BRD-Kinos der 70er und 80er-Jahre im Filmclub 813-Programm: Klaus Lemkes »Rocker« (1972) wird immer schöner und wahrer in einer immer falscheren Welt. Helke Sanders‹ »Die allseitig reduzierte Persönlichkeit — Redupers« (1978) immer wichtiger für die Demokratiediskussion — und Werner Herzogs »Cobra Verde« (1987) wird aktuell ein Spiegel vorgehalten durch Gina Prince-Bythewoods »The Woman King« (2022).

Zur Abrundung zwei Museumsempfehlungen: Im Wallraf-Richartz-Museum gibt es unter dem Titel »Sensation des Sehens« präkinematographische Apparate aus der Sammlung Nekes zu bewundern, während in der Kolumba-Jahresausstellung Éric Baudelaires »Un film dramatique« (2019) erfreut.

Mehr zu den Programmen unter jki.de, filmclub-813.de, wallraf.museum, kolumba.de