Verdächtige Subjekte?

In einem Land, das es nicht mehr gibt

Aelrun Goette schickt ihre Heldin auf real existierende Laufstege der DDR

Im Foyer des Berliner Modeinstituts der DDR hängen Banner mit Modefotografien in strengem Schwarzweiß. Überlebensgroß, in symmetrischer Anordnung den Raum dominierend und aus der Untersicht gefilmt. So erinnern sie an die Ikonographie dystopischer Welten, an totalitäre Propaganda. Diese Assoziation ist noch nicht mal aus der Luft gegriffen: »In einem Land, das es nicht mehr gibt« beginnt mit einer Schultasche, aus der zwei Stasibeamte George Orwells Klassiker »1984« konfiszieren.

Der Fund führt dazu, dass die im Sommer 1989 kurz vor dem Abitur stehende Suzie (Marlene Burow) ihr Literaturstudium vergessen kann und sich stattdessen im Kabelwerk Oberspree bewähren muss. Auf dem Weg zur Arbeit wird sie zufällig fotografiert; ihr Porträt landet in der Sibylle — Zeitschrift für Mode und Kultur, der sogenannten Vogue des Ostens. Der neue Film von Aelrun Goette, die in den 1980er Jahren selbst für die Sibylle modelte, ist keine Chronologie ihres Lebens, er erzählt eine fiktive Geschichte, angereichert mit Erinnerungen, wahren Begebenheiten.

In (manchmal etwas zu) lose miteinander verbundenen Vignetten folgt Goette Suzies holprig beginnender Modelkarriere, ihrer Schwäche für den rebellischen Fotografen Koyote (David Schütter), den Auseinandersetzungen mit ihrem alleinerziehenden Vater, der gelernt hat, im Angesicht der Staatsgewalt den Kopf einzuziehen. Verständlich: Allgegenwärtig sind im Film die Stasimitarbeiter, die vor den Wohnungen und Veranstaltungsorten der »verdächtigen Subjekte« lungern. Befragungen und Festnahmen gehören zum Alltag, und während ­einer Modenschau des Luxus­­­­­­­herstellers VHB Exquisit in Leipzig treffen visuell sehr eindrücklich elegante Modemenschen auf die in jeder Hinsicht grauen Eminenzen der Partei.

Geprägt ist »In einem Land, das es nicht mehr gibt« aber in erster Linie von Goettes offensichtlicher Liebe zu ihren Figuren. Das gilt durch die Bank: Für die Blaumann tragenden Arbeiterinnen im Kabelwerk ebenso wie die professionell Kreativen, die entgegen allen politischen und mangelwirtschaftlichen Widerständen das Beste aus ihrer Situation machen. Im Film stehen sie ebenso gleichberechtigt nebeneinander wie in vielen Fotostrecken der Sibylle, vereint im Glauben an etwas Größeres: Freiheit oder einfach Schönheit, etwas jenseits vom grauen Durchschnitt.

D 2022, R: Aelrun Goette, D: Marlene Burow, Sabin Tambrea, David Schütter, 101 Min.