Selbstlose Hilfe?

Me, We

David Clay Diaz erzählt komplexe Geschichten des Engagements rund um Geflüchtete

Schon einige Filme beschäftigten sich mit der sogenannten Flüchtlingskrise, meist mit sympathisierendem, manchmal auch naivem Blick auf Schutz- und Hilfesuchende. Wenig überraschend ist es ein österreichischer Film, der sich auf pointierte, mitunter böse Weise mit der anderen Seite beschäftigt: mit jenen, die helfen und nicht merken, dass sie dabei vor allem an sich selbst denken.

In den vier Episoden von »Me, We« zeigt David Clay Diaz, wie deren gute Absichten an Grenzen stoßen können. Auf Lesbos versucht Marie, sich als freiwillige Mitarbeiterin in einem NGO-Camp zu engagieren. In Wien lebt Petra, die Fernsehredakteurin ist und den Flüchtling Mohammed in ihrem Haus aufnimmt. Weniger als Mensch, vielmehr als Projekt sieht sie Mohammed, dem sie die »richtige«, also westliche Weltanschauung beibringen möchte.

Ebenfalls in Wien arbeitet Gerald in einem Asylantenheim. Nach Beschwerden der Nachbarn über das laute Verhalten der Flüchtlinge steht die Zukunft des Heims in Frage. Teenager Marcel lebt in der Provinz und glaubt, dass Refugees die einheimischen Frauen belästigen. Mit Freunden gründet er die »Schutzengel AG«, die es sich zur Aufgabe macht, Frauen vom Einkaufen oder der Disco sicher nach Hause zu begleiten.

Auch diese Episode basiert auf den umfassenden Recherchen, die Regisseur David Clay Diaz und sein Co-Autor Senad Halilbašić in Österreich und Griechenland durchführten. Das Ergebnis ist ein ungewöhnlicher Spielfilm, der unangenehme Fragen aufwirft und der dem oft narzisstischen Idealismus der Helfenden einen Spiegel vorhält. Leicht könnte dieser Ansatz nun von rechter Seite instrumentalisiert werden und zu einer grundsätzlichen Ablehnung von Flüchtlingshilfe oder Asyl werden. Doch David Clay Diaz und Senad Halilbašić — beide selbst im Kindesalter als Flüchtlinge nach Österreich gekommen — stellen die oft als »Gutmenschen« bezeichneten Helfenden komplex dar. Dass Gerald, Marie oder Petra gute Absichten hegen, ziehen sie nicht grundsätzlich in Zweifel, allein ihr Tun zu hinterfragen kommt den Hauptfiguren des Films nicht in den Sinn.

Am Ende müssen sich alle Helfenden fragen, für wen sie wirklich tun, was sie tun. Für die Geflüchteten, Asylsuchenden, Hilfesuchenden, die nach Europa kommen. Oder vielleicht doch, zumindest ein bisschen, für sich selbst, um ihr Gewissen zu beruhigen.  Michael Meyns

A 2021 R: David Clay Diaz, D: Verena Altenberger, Lujas Miko, Alexander Srtschin, 119 Min.