Mit Kanonen auf Ballons schießen: Ein Duell in den Lüften, © Wikimedia Commons

700 Meter über Paris

Im Mai 1808 wetteiferten »zwei tollkühne Herren« ­um das Lächeln einer Tänzerin

Es ist der 3. Mai 1808. Eine Gruppe Schaulustiger hat sich im Garten vor dem Palais des Tuileries in Paris versammelt. Unter den gebannt in die Luft blickenden Zuschauern ist auch eine junge Frau. Die Balletttänzerin Mademoiselle Tirevit, von der es heißt, sie breche den Junggesellen der Pariser Gesellschaft das Herz, so anmutig, grazil und schön seien ihre Bewegungen auf der Opernbühne. »Mein Lächeln schenke ich demjenigen, der über­lebt«, soll sie an jenem denkwürdigen Tag 1808 gegenüber einem Journalisten gesagt haben, kurz bevor zwei identische und eigens für das Unterfangen angefertigte Heißluftballons — mittels eines absolut zeitgleichen Schnitts durch das sie am Boden fesselnde Seil — in das Reich der Winde abhoben.

Der Schriftsteller Clemens J. Setz erwähnt dieses Duell, eher beiläufig, in seinem 2013 erschienenen Montageroman »Indigo«. Ein Duell »zwischen zwei tollkühnen Herren, Monsieur de Grandpré und Monsieur Le Pique, um die Gunst von Mademoiselle Tirevit, einer bekannten Tänzerin. Die Kon­trahenten stiegen damals mit zwei Ballonen rund 700 Meter hoch über die Tuileren und schossen abwechselnd auf die gegnerische Ballonhülle.« Ist das wahr? Oder doch nur wieder eines von Setz’ grandiosen Verwirrspielen, an deren Ende man kaum mehr zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden kann?

Ein Blick in zeithistorische Quellen zeigt: Zahlreiche Medien, von Unterhaltungsblättern bis zu Jahreschroniken, berichteten damals über den gefährlichen Wettstreit zwischen den beiden Herren. »Eine sehr neue Art des Duells fand kürzlich in Paris statt«, heißt es etwa im Edinburgh Annual Register aus dem Jahr 1808,  ein anderes Blatt erzählt von »zwei Herren der vornehmen Pariser Welt«, deren Streit um eine Tänzerin »nicht zu ebener Erde, sondern in den Lüften ausgefochten werden« sollte. Mit jeweils einem Sekundanten an Bord zielten die Kontrahenten mit Donnerbüchsen auf den gegnerischen Ballon: erst Monsieur Le Pique, dessen Schuss daneben ging, dann Monsieur Grandpré. Er traf — und statt des angenommen Szenarios, nämlich dass der Ballon durch das Einschussloch an Luft verlieren könnte und langsam zu Boden sinken würde — heißt es, Monsieur Le Pique und sein Sekun­dant wurden beim Absturz auf einem Pariser Hausdach »dashed in pieces«, in Stücke gerissen. Kaum ein Mensch ist jemals tiefer für die Liebe gefallen.