Keine Gefühle wegdrücken: CONNY, Foto: Fabian Heigel

Abschied von der Komfortzone

Der Kölner Rapper CONNY verfolgt mit dem zweiten Teil seiner Album-Trilogie »Manic Pixie Dream Boy« sein anti-sexistisches Projekt weiter

Er hat sich verändert: Die pinken Haare, die CONNY noch zum ersten Teil von »Manic Pixie Dream Boy« trug, sind schwarzem Eyeliner und Gesichts-Tattoos gewichen. Die Musik nun eher melancholisch als Upbeat, die Texte ein wenig härter und düsterer als ­vorher. Schon in »Manic-Pixie-Dream-Boy Vol. 1« sind Männlichkeit, Geschlechterrollen und Feminismus CONNYs Hauptthemen. Seine Musik ist die Dokumentation seiner Auseinandersetzung mit diesen.

Die Entwicklung, die CONNY dabei durchmacht, ist roh, echt und nachvollziehbar. Seine Kunst soll Anregung und Stütze sein für diejenigen Hörer:innen, die sich selbst in diesen oft unbequemen Prozessen befinden. Es macht ­keinen Spaß, sich mit so emotionsgeladenen Themen wie Depressionen oder sexualisierter ­Gewalt auseinanderzusetzen, ­Musik macht es aber erträglicher.

Wir sprechen in einem Zoom-Call kurz nach seinem Tourauftakt in Dresden. Nach der Show sei ein Sexual-Pädagoge auf ihn zu­gekommen, der ihm erzählt habe, dass er CONNYs Songs und Musikvideos als Lehrmaterial nutze, um mit seinen Schüler:innen über Männlichkeit zu sprechen. Genau das Feedback, was CONNY für ­seine Musik bekommen möchte.

»Wie kann ich am Ende sicherstellen, dass ich von der feministischen Bewegung nicht mehr ­nehme, als ich wieder zurück gebe? Wie kann da ein Ausgleich geschaffen werden? Ich gewinne dadurch so viel.« Das habe ich mich vor unserem Gespräch auch gefragt. Ein Mann, der mit seiner Rolle als feministischer Rapper quasi eine Monopol-Stellung hat und damit sein Geld verdient. Doch CONNY redet nicht nur, ­sondern macht auch: Mindestens 50 Prozent seines Teams rund um das Manic-Pixie-Dream-Boy-Projekt sind von ­FLINTA*-Personen besetzt. Er weiß, wenn nicht er an der Reihe ist zu reden. So holt  er sich auf ­seinem Track »Pfefferspray«, der von sexualisierte ­Gewalt gegen Frauen handelt, Verstärkung von Liser. Erst hört man ihre beiden Stimmen zusammen, dann verstummt CONNYs hinter Lisers Stimme: »Und du kannst all die Texte schreiben, doch es bleiben unsere/ Und unsere sind eben nicht deine Geschichten«

Um CONNY vorzustellen, wird sich häufig eines Vergleichs bedient, etwa: Während seine Rapper-Kollegen von »B*tches, Autos und Drogen« rappen, trägt CONNY mit seinen Texten zum feministischen Diskurs bei. Sicherlich sind sie eher untypisch für das Genre. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Nach seinem Uni-Abschluss motivieren ihn klassisch bürgerlich-konservative Ideen: Geld ­verdienen, Geld zurücklegen. Mit Freunden aus der Uni gründet er eine Medienagentur, die nach ­einiger Zeit auseinandergeht. Danach begibt sich CONNY in eine Festanstellung, allerdings nur eine Vier-Tage-Woche. Den fünften Tag nutzt er für sich. Schreibt mit ­»Lieder über Lara« ein Theaterstück und passenden Soundtrack, liest sich in feministische Literatur ein. Als Anstoß dafür nennt er die Bachelor-Arbeit seiner damaligen Partnerin über das Ehegatten-Splitting: »Da habe ich gemerkt, wie meine bürgerlich-konservativen Vorstellungen zu bröckeln ­angefangen haben.«

Bald hat er seinen Job dann aufgegeben, um sich Vollzeit seiner Musik zu widmen. Er hat seine Komfortzone verlassen. Es ist aber auch ein Privileg sich mit Problematiken auseinanderzusetzen, die einen nur indirekt betreffen. CONNY möchte dabei gar nicht der Gegenentwurf zum »Straßen-Rap« sein, sondern »der Gegenpol zum gesamten Deutschrap Habitus.« Der Sexismus ist im Deutschrap und seiner Sprache so tief ­verankert und selbstverständlich, dass die Diskussionen darum oft schnell wieder verstummen. Die Stigmatisierung von Straßen-Rap bzw. seinen Akteuren ist aber ­mindestens genauso diskriminierend wie die Texte an sich: Texte von Rappern aus finanzschwachen Verhältnissen, häufig mit Einwanderungsgeschichte sind schlecht, Texte von weißen Akademiker-Kindern gut — plakativ gesprochen. CONNY und ich sind uns einig: Da muss man vorsichtig sein. Außerdem hat jede Lebens­realität ihre Repräsentation in der Kunst verdient: »Alle Helden waren weiße Männer. Ich hab mich immer repräsentiert gefühlt.« Anderen Gruppen die Wichtigkeit ihrer Repräsentation und Identifikation beispielsweise über Straßen-Rap zuzugestehen, war ebenfalls ein wichtiger Schritt in CONNYs Entwicklung. Er selber möchte für ­zukünftige Projekte daran arbeiten, seine Musik »mainstreamiger« und vor allem zugänglicher zu denken. Die Themen die er behandelt, betreffen zwar mehr oder ­weniger alle, erreichen müssten sie aber noch viel mehr Menschen.

»Ich finde, dass Deutschrap gerade etwas stagniert. Soundmäßig entwickelt es sich zwar weiter, aber auf der gesellschafts-politischen Ebene von Rap fehlt mir ­gerade was. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich dieses Projekt gestartet habe«, sagt er.

CONNY ist mit ganz klassischen Rollenbildern aufgewachsen. Der Vater als Brötchenverdiener, die Mutter versorgt die Kinder und schmeißt den Haushalt. Bis sein Vater seinen Job verliert und sich die Rollen umverteilen. Theoretisch. Zwar ist jetzt CONNYs Mutter die Hauptverdienerin. Die Care-Arbeit übernimmt trotzdem nicht der Vater, sondern eine ­andere Frau aus der Familie, die Großmutter. Groß besprochen wird das damals nicht. Erst, als CONNY sich mit genau dieser Thematik auseinandersetzt, arbeitet er die Familiensituation für sich auf, stellt sich dem Problem toxischer Männlichkeit. Sie bedeutet für ihn »das Wegdrücken von Gefühlen jeglicher Art«. Von Trauer, Einsamkeit, ein geringes Selbstwertgefühl und auf der positiven Seite von Lob oder »Ich liebe dich«-sagen. Außerdem Gewalt gegen andere und gegen sich selbst: »Ich höre auf meinen ­Stücken, wie erbarmungslos ich selber mit mir umgegangen bin. Die Texte haben so eine Härte.«

Auch das ständige Hierarchisieren unter Männern empfindet er als toxisch. Als Beispiel nennt er ein beliebtes »Stilmittel« aus dem Battle-Rap: Oft werden Beleidigungen gegen den Gegner auf Kosten einer Frau aus seinem ­Umfeld wie Mutter, Schwester, Freundin gemacht.

Dass »Manic Pixie Dream Boy« ein Dreiteiler werden soll, war CONNY von Anfang an klar. Die Songs der ersten beiden Teile sind überwiegend gemeinsam entstanden. Die Storys dann in einen etwas helleren, freundlicheren ersten und einen düsteren, wütenderen zweiten Teil zu teilen, war sinnvoll. Der dritte und abschließende wird wohl im nächsten Jahr erscheinen. Davor hat CONNY noch ein wenig Angst: »Ich kann kein abschließendes Fazit unter dieses Thema ziehen«, eine ungefähre Richtung gibt er aber schon mal vor: »Ich möchte die Geschichte mit einem Happy-End ­erzählen.«

Tonträger: »Manic Pixie Dream Boy, Vol. 2« via conny.bandcamp.com
Konzert: Fr, 28.10., Gebäude 9 (mit Bobby Lies und Special Guests Big Shrimps Are und Liser), 20 Uhr