Ort des Widerstands: Die »Lotta« in der Südstadt bietet ein Alternativ-Programm zur WM

Football was my first love

Die Fuß­ball-WM der Männer in Katar ist ein an Absurdität kaum zu über­bie­ten­des Groß­ereignis. Zum Glück gibt es in Köln viele und bessere Alter­na­tiven

Die Lotta in der Südstadt, Gottes Grüne Wiese im Belgischen Viertel oder das Moselstübchen in Neuehrenfeld — zahlreiche Kölner Kneipen haben sich der Initiative »Boycott Qatar 2022« angeschlossen. Sie werden die Fußball-WM, die vom 20. November bis zum 18. Dezember in Katar stattfinden wird, nicht zeigen. Auch viele Menschen, die sonst gern Fußball gucken, stehen vor der Frage, ob sie sich als Konsumenten mit dieser WM gemein machen wollen. Gründe, mit dem Turnier zu hadern, gibt es viele. Katar missachtet die Menschenrechte. Diskriminierung von Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung gehören zum Alltag. Die Presse kann nicht frei arbeiten. Die Sportstätten wurden von ­Arbeitsmigranten unter menschenunwürdigen Bedingungen erbaut. ­Amnesty International geht davon aus, dass dabei insgesamt mehr als 15.000 Menschen gestorben sind. Zudem steht die WM-Vergabe wieder einmal im Verdacht der Korruption. Wer im Anbetracht dessen gar nicht erst in Versuchung geraten möchte, zur Fern­bedienung zu greifen, und gleichzeitig nicht vergessen möchte, dass Fußball eigentlich doch ein wunderbares Spiel ist, kann die Zeit der WM besser nutzen. Die Stadtrevue zeigt, wie.

 

Sonntag, 20. November

Heute beginnt die WM mit dem Spiel Katar gegen Ecuador — nicht gerade ein Fußball-Klassiker. Wer für die kommenden 29 Tage eine Lektüre sucht, könnte bei Mathias Brüggmann fündig werden. Der internationale Korrespondent für das Handelsblatt ist Kenner des Nahen Ostens. Kürzlich erschien sein Buch »1001 Macht — Fußball, Flüssiggas, Finanzimperium«. Brüggmann beschreibt darin den Aufstieg Katars zu ­einem der reichsten Länder der Welt, aber auch zu einer Drehscheibe für Sportbusiness und
Diplomatie. Vor allem Sport spielt seit Jahren eine zentrale Rolle in der Positionierung Katars. »Mit seinen Milliardeninvestments besitzt das Emirat einen immensen Einfluss auf die Regierungen, die Kultur und Wirtschaft des Westens«, schreibt Brüggmann. Durch die Vergabe der Fußball-WM
ist dieser Einfluss nochmals gestiegen.

Mathias Brüggmann: »1001 Macht — Fußball, Flüssiggas,­
Finanzimperium«, Dietz-Verlag, 232 Seiten, 22 Euro

 

 

Dienstag, 22. November

Dietrich Schulze-Marmeling ist nicht nur der bekannteste Autor von Fußball-Büchern in Deutschland, er ist auch einer der Initiatoren von »Boycott Qatar 2022« (www.boycott-qatar.de). Heute liest er in der Lotta aus seinem Buch »Boykottiert Katar 2022! — Warum wir die Fifa stoppen müssen« (Die Werkstatt, 160 Seiten, 15 Euro). Darin untersucht er die Situation in Katar sowie den Einfluss Katars auf Politik, Wirtschaft und europäischen Fußball. Zudem beschreibt er das Gebaren der Fifa, das überhaupt erst zur Vergabe der WM nach Katar geführt hat. Schulze-Marmeling schaut nicht als Zyniker, der mit dem modernen ­Fußball abgeschlossen hat, auf das Turnier, sondern ­weiterhin als Liebhaber des Spiels — was seine Schilderungen umso eindrücklicher macht. Morgen startet dann die deutsche Mannschaft ins WM-Turnier. Den Fernseher ausgeschaltet zu lassen, dürfte nach dem heutigen Abend leicht fallen.

Di 22.11., Lotta, lotta-koeln.de , 19 Uhr
 

 

Sonntag, 27. November

Für den bekanntesten Satz der Fußball-WM sorgte »der Kaiser« schon vor fast zehn Jahren: »Ich hab nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehn«, erklärte Franz Beckenbauer 2013 nach einem Besuch in Katar, wo er sich auf Einladung des Emirats den Bau der Sportstätten anschaute. Heute ist dieser Satz Titel eines Kurzvortrags in der Lotta zu Menschenrechten in Katar. Eingerahmt wird er von »Zielen, Werfen, Fluchen« — einem Dart-Turnier. »Wir probieren mal was ganz anderes: Als schönes Kontrastprogramm zur unsäglichen Fußball-WM«, schreiben die Initiatoren. Die Anmeldung findet vor Ort statt. Vor dem Turnier empfiehlt sich ein ausgiebiger Sonntags­spaziergang zur Lotta. Dann verpasst man das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Spanien um 11 Uhr.

So 27.11., Lotta, lotta-koeln.de , 14 Uhr
 

 

Donnerstag, 1. Dezember

Im Weidenpescher Park befand sich früher eines der größten Fußballstadien des Landes. Der VfL Köln 1899, ältester Fußballverein der Stadt, spielte fast 100 Jahre hier, wo 1905 und 1910 auch die Endspiele um die deutsche Fußballmeisterschaft stattfanden. Die 1920 errichtete Zuschauertribüne ist eine der ältesten erhaltenen Fuß­balltribünen in Deutschland. Ihren letzten großen Auftritt hatte sie 2002 als Filmkulisse in Sönke Wortmanns »Das Wunder von Bern«. Mittlerweile verfällt die Tribüne, die nun bei Menschen hoch im Kurs steht, die lost places aufsuchen. Versuche der Kölner Politik, das seit 1989 denkmalgeschützte Bauwerk sanieren zu lassen, scheiterten bislang. Ein Ausflug könnte heute auch eine Gelegenheit sein, die Tribüne noch einmal zu sehen, bevor die Konstruktion aus Holz und Stahl in sich zusammenfällt. Um 16 Uhr spielt Deutschland gegen Costa Rica — nicht hier, sondern in al-Chaur in einem Stadion mit schließbarem Dach.

Galopprennbahn Weidenpesch, Rennbahnstr. 152, 50737 Köln

 

 

Samstag, 3. Dezember

Das Südstadion ist ein Ort für Fußballromantiker. Doch die großen Zeiten an der Vorgebirgsstraße sind vorbei. Fortuna Köln, 1973 Erstligist, 1983 Pokalfinalist und 26 Jahre Mitglied der 2. Bundesliga, ist mittlerweile im Amateurfußball angekommen — im Tabellenmittelfeld der Regionalliga West. Die Mannschaft von Trainer Markus von Ahlen spielt ehrlichen Fußball. Das bedeutet auch, dass nicht jeder Pass und jeder Torschuss fernsehtauglich sind. Die Stimmung auf den Rängen ist trotzdem gut. Es gibt Bockwurst, Kölsch und Karten an der Tageskasse (Stehplatz 12 Euro). Namhafte Gegner sind eher selten geworden. Die Gästeteams kommen in dieser ­Saison aus Kaan-Marienborn, Düren — oder wie heute aus Ahlen in Westfalen.

Sa 3.12., 14 Uhr, Südstadion
 

 

Samstag, 10. Dezember

Oft heißt es, der Spielbetrieb in den Fußball-Bundesligen ruhe während der WM. Das stimmt nicht. Es ruht lediglich der Bundesliga-Fußball der Männer. Die erfolgreichste Kölner Fußballmannschaft aber ist derzeit ein Frauen-Team. Der 1. FC Köln ist, unter anderem mit einem Sieg gegen den einstigen deutschen Dauer-Meister Turbine Potsdam, überraschend gut in die neue Saison gestartet, obwohl das Team von Trainer Sascha Glass erst im Sommer 2021 wieder in die erste Liga aufgestiegen ist.
Da will der Effzeh nun bleiben. Heute treffen die Kölnerinnen im heimischen Franz-Kremer-Stadion am Geißbockheim auf das Spitzenteam des SC Freiburg. Die Sitzplatzkarte kostet zehn Euro, stehen kann man für acht Euro.

Sa 10.12., Franz-Kremer-Stadion, zu welcher Uhrzeit das Spiel beginnt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest
 

 

Sonntag 18. Dezember

Heute stehen sich zwei große Mannschaften gegenüber: In der »Bunten Liga Köln« trifft Inter Filos auf die Boca Feez Seniors. Der Klassiker wird auf der Ostkampfbahn in Müngersdorf ausgetragen. Beide Teams sind Schwergewichte des Kölner Hobby-Fußballs. Filos, eine Kneipenmannschaft der gleichnamigen Gastro in der Südstadt, gehört seit mehr als 30 Jahren der Bunten Liga an. Seine erfolgreichsten Saisons hatte das Team 2015 und 2016, als es zweimal das Double aus Meisterschaft und Supercup holte. Auch Feez fand am Tresen zusammen, allerdings in Nippes. Dass die namensgebende Kneipe seit fast 15 Jahren geschlossen hat, zeigt, dass auch die Boca Seniors eher über die Erfahrung kommen. Ach ja, und das WM-Finale findet heute auch statt.  

So 18.12., 13 Uhr, Ostkampfbahn in Müngersdorf