Foto: Dörthe Boxberg: die Bundeswehr in Schulen

Einsatz im Klassenzimmer

Seit dem Angriff auf die Ukraine kommen Jugendoffiziere häufiger an die Schulen. Aufklärung oder Werbung fürs Militär?

»Wir schützen Deutschland«, heißt es in der neuen Werbekampagne der Bundeswehr. Panzergrenadier Erik erklärt im Video unterlegt mit actionreichen Bildern, wie wenig selbstverständlich Wohlstand und Sicherheit des Landes seien. Auch Waffenleitmeister Sebastian, die Kampfpilotin Petra und IT-Sicherheitsex­perte Henrik erklären, wie sie Deutschland schützen. Die Kampagne hat keine reine Nachwuchsrekrutierung zum Ziel. Sie soll vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine auch deutlich machen: Achtung, wir brauchen eine Bundeswehr zur Verteidigung.

Dass es wichtig sei, das auch in die Schulen zu tragen, finden viele. Im März 2022 sprach sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) für den Einsatz von Jugendoffizieren im Klassenzimmer aus. »Es ist wichtig, dass der russische Angriff auf die Ukraine und die Folgen für Deutschland und Europa auch im Schulunterricht altersgerecht thematisiert werden«, sagte sie gegenüber der Bild-Zeitung. Gerade in Zeiten von Social Media und Desinformation sei eine Einordnung nötig, die auch Sorgen und Ängste der Schüler aufgreife. Als »sicherheitspolitische Experten« seien Jugendoffiziere, »Staats­bürger in Uniform«, eine »Bereicherung für den Unterricht, besonders jetzt«.

Tatsächlich nimmt die Nachfrage nach Info-Veranstaltungen mit Jugendoffizieren in Schulen zu, auch in NRW. Oberstleutnant Stefan Heydt nannte im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung im März erste Zahlen: 170 Vorträge, allein im ersten Quartal 2022, hätten Jugendoffiziere in NRW-Schulen gehalten. Im gesamten Vorjahr waren es 250.

Vorträge, Rekrutierungsversuch oder Aufklärung? Über die Arbeit der 94 Jugendoffiziere in den Schulen wird seit Jahren gestritten. Als ausgebildete Referent*innen für Sicherheitspolitik sollen sie laut Verteidigungsministerium »Hintergrundinformationen geben, die helfen, die komplexen Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Rolle Deutschlands in den Bündnissen kollektiver Verteidigung besser zu verstehen«. Ihr Portfolio umfasst Vorträge zu sicherheitspolitischen Themen, Podiumsdiskussionen, Konferenzen und mehrtägige Seminare.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und zivilgesellschaftliche Bündnisse kritisieren, dass mit den Veranstaltungen für den Beruf als Soldat*in geworben werde. »Die Unterrichtseinheiten der Bundeswehr sollen SchülerInnen insbesondere von der Notwendigkeit deutscher Kriegseinsätze und den Vorteilen des Soldatenberufs überzeugen«, findet das Bündnis »Schule ohne Bundeswehr NRW«. Weil damit die Regierungspolitik beworben werde, sieht das Bündnis auch die Neutralität der Schulen verletzt. »Ihr Bildungsauftrag ist vor allem dem Friedensauftrag des Grundgesetzes verpflichtet«, heißt es. »Auch das Schulgesetz von NRW schreibt vor, dass Schule zur Friedensgesinnung erziehen soll, diese Arbeit können am besten qualifizierte Lehrer*innen selbst bewältigen.«

Laut der Neufassung des Kooperationsabkommens zwischen Bundeswehr und NRW-Schulministerium vom August 2012 dürfen Jugendoffiziere das Klassenzimmer nur noch betreten, wenn auch Vertreter*innen von Friedensinitiativen oder Kirchen einladen werden. Doch es gibt auch die Forderung, gar keine Jugend­offiziere an Schulen zuzulassen. Die Landesschüler*innenvertretung NRW hat in einem Handbuch Tipps veröffentlicht, um deren ­Besuch zu verhindern. Lässt sich der Besuch nicht mehr verhindern: durch Anträge in der Schulkonferenz oder Gespräche mit Lehrer*innen, rufen sie sogar zu »zivilem Ungehorsam« auf.