Katholische Kirche: kann negative Gefühle auslösen, Foto: JU Schauspiel Köln

Vorsicht, Trigger!

Seit einiger Zeit nutzen Theater vor ihren Stücken »Triggerwarnungen«. Das provoziert Kritik

»Bitte beachten Sie, dass die Inszenierung in einzelnen Szenen sexuelle Belästigung und Missbrauch thematisiert. Das kann negative Gefühle hervorrufen und re-traumatisierend sein.« Diesen Hinweis setzte das Schauspiel Köln im Dezember 2021 unter die Ankündigung zum Stück »Das Himmelreich wollen wir schon selbst finden«. Der kroatische Regisseur Oliver Frljić blickte darin auf die Geschichte der katholischen Kirche und auch auf ihr Verhalten in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

Es war eines der seltenen Male, dass das Schauspiel Köln mit einer expliziten Warnung auf bestimmte Inhalte eines Stückes hingewiesen hat. An anderen Häusern und Institutionen gehören Triggerwarnungen längst zum guten Ton: Als kurzer Hinweis im Programmheft oder als Auflistung von möglicherweise schwierigen Inhalten in einem Begleittext. Beim Berliner Theatertreffen etwa, das im vergangenen Mai stattfand, waren gleich mehrere Produktionen mit solchen Hinweisen gekennzeichnet. Aber wozu dienen Triggerwarnungen im Theater eigentlich? Und sind sie wirklich immer wünschenswert?


Die Triggerwarnung wird verwendet als ein politischer Begriff, der eine tief verwurzelte Diskriminierung sichtbar machen soll

Ein Schritt zurück zur Begriffsbestimmung: Das Wort »Trigger« stammt ursprünglich aus der Traumatherapie und bezieht sich auf Reize, die Flashbacks früherer Gewalterfahrungen auslösen können — also das Wiedererleben eines Traumas hervorrufen. Mit dem Begriff Triggerwarnung verhält es sich etwas anders. Er hat sich seit den 2000er Jahren und ursprünglich an US-amerikanischen Universitäten etabliert und meint einen Hinweis auf Inhalte, die verletzend wirken können, etwa wenn bei einer Vorlesung oder eben auf einer Theaterbühne rassistisches Verhalten thematisiert wird. Die Triggerwarnung wird hier verwendet als ein politischer Begriff, der eine tief verwurzelte Diskriminierung sichtbar machen soll, und auf die Wunden verweist, die diese hinterlassen hat.

»Viele Menschen, die sich über diese Hinweise beschweren, haben meistens selbst keine ausgrenzenden Erfahrungen gemacht, haben wahrscheinlich das Privileg, nicht mit psychischen

Erkrankungen, Rassismus oder Queerfeindlichkeit konfrontiert worden zu sein«, sagte Hannes Oppermann, Dramaturg am Schauspiel Hannover, im Mai 2022 gegenüber dem Deutschlandfunk. Er spricht damit all jene Kritiker*innen an, die in der Triggerwarnung eine Form der Zensur sehen, oder wie Till Briegleb im September in der Süddeutschen Zeitung schrieb: Eine »Aufforderung, reflektierende Prozesse zu vermeiden«. »So beziehen sich die meisten Triggerwarnungen im Theater gar nicht mehr auf die realistischen Darstellungen von Gewalt und Missbrauch, die es dort schon lange kaum noch gibt, sondern auf das Sprechen darüber«, kommentierte Briegleb.

Was er und all die anderen Kritiker*innen zu vergessen scheinen: Das, was in der Triggerwarnung benannt wird, kommt auf der Bühne sehr wohl zur Sprache — nur kann man sich als Zuschauer*in bewusst entscheiden, ob man sich an diesem Abend für derlei Stoff gewappnet fühlt. Dafür müssen Triggerwarnungen konkret und verständlich formuliert sein, anders etwa als beim Theaterfestival »Theaterformen«, das im jährlichen Wechsel in Hannover und Braunschweig stattfindet. Vor »audistischem und saneistischem Sprachgebrauch« wurde während der vergangenen Spielzeit im Juni 2022 bei einigen Stücken gewarnt, also der Diskriminierung von tauben oder gehörlosen Menschen und von Menschen, die neurologisch von der Norm abweichen. Bedauerlich, dass ausgerechnet ein inklusives Festival Barrieren errichtet — mit einer akademischen Sprache, die nicht alle verstehen.

Dabei können Triggerwarnungen im Theater, konkret formuliert  und eingesetzt, durchaus Vorteile haben. Das Theater in Bielefeld bietet seinem Publikum die Möglichkeit, sie im Netz nachzulesen, indem man einen Link öffnet: »Ein Kritikpunkt an Triggerwarnungen ist, dass sie ein Stück der Inszenierung vorwegnehmen«, schreibt das Theater. »Daher überlassen wir Ihnen die Entscheidung, ob sie die folgenden Zusatzinformationen lesen und bedenken möchten.« Auch für all jene, die von den angesprochenen Inhalten nicht diskriminiert sind, eine gute Gelegenheit, vorab zu überdenken, mit welchem Blick man das Stück betrachtet — und sich vorzunehmen, mal die Perspektive zu wechseln.