Fängt Kanonenkugeln: Frank Richards, Foto: Wikimedia Commons

One-Hit-Wonder

Frank »Cannonball« Richards war ein Star der Vaudeville-Shows, heute ist er ein Meme für Gleichmut an einem beschissenen Tag

Als Soldat im Ersten Weltkrieg bemerkte Frank Richards, dass er ein außerordentliches Talent besaß: Er war immun gegen Schläge in die Magengrube. Kein blitzartiger Schmerz, kein Aussetzen des Atems, wenn eine Faust oder der Schaft eines Gewehres ihn in diesem weichen, knochenlosen Delta zwischen seinen Rippen traf. Inmitten des brutalen Kriegsgemetzels, in dem mehr als neun Millionen Menschen starben, stellte Frank Richards fest, dass es immerhin eine Stelle an seinem Körper gab, die unverwüstlich schien. Er beschloss, dass sie künftig nicht nur physisch, sondern vollständig zum Mittelpunkt seines Lebens werden sollte.

Der »Pain Proof Man« existiert seit Jahrhunderten auf der Weltbühne: als Fakir, der über glühende Kohlen läuft, als »menschliches Nadelkissen«, als großer Mirin Dajo, der spitze Gegenstände durch seinen Körper stößt. Doch Frank Richards war anders: Er war den Schützengräben entkommen und war in die »echte Welt« zurück gekrochen. Der geläuterte Heimkehrer. Die Gewalt konnte ihm, solange sie ihn an seiner Anti-Achillesferse traf, nichts mehr anhaben.

In Vaudeville-Shows ließ Frank Richards das Publikum dafür zahlen, ihm Schläge in den Bauch zu verpassen. Er rührte sich nicht, legte sich stattdessen rücklings auf den Boden und das Publikum stand Schlange. Einer nach dem anderen sprangen sie auf seinen Nabel, als gälte es eine darunter liegende Sprungfeder zu testen. 1933 sieht man ihn in einem 16mm-Film auf dem Dach des Los Angeles Athletic Club stehen, zusammen mit dem

US-amerikanischen Boxwelt­meister im Schwergewicht: »Frank Richards, ›cast-iron human‹, takes a few wallops from ex-champ Jess Willard, and likes it!«, raunt eine Texttafel wie in einem billigen Amateur-Porno. Dann rammt ihm der Boxer drei Fäuste hintereinander in den Abdomen, Frank Richard lacht und will mehr.

Eine Nummer machte ihn jedoch erst später, dann aber für alle Zeiten unvergessen: Sein One-Hit-Wonder im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt Frank Richard, der mit weit ausgebreiteten Armen eine Kanonenkugel empfängt. Überlebt hat er jede dieser Vorführungen, mehr als zwei Mal am Tag wollte er sie aber nicht vorführen. Das sei ihm schlicht zu anstrengend, soll er einmal gesagt haben.