Mit Büchern zum Protest

»Unsere verschwundenen Herzen« von Celeste Ng ist eine Dystopie, die unserer Gegenwart sehr ähnelt

Celeste Ng, die Autorin von »Kleine Feuer überall«, hat mit »Unsere verschwundenen Herzen« einen neuen Roman geschrieben, der ebenso sensibel für gesellschaftlichen Missstände, aber deutlich politischer ist. Die nahe Zukunft, in der die Handlung spielt, ist von Krisen gezeichnet und ruft Gewalt und Xenophobie hervor. Gesetze und Verordnungen sollen die amerikanischen Traditionen wahren und alles »Antiamerikanische« selektieren — vor allem China wird als Bedrohung gesehen. Celeste Ngs dystopische Zukunftsvision Amerikas erscheint unserer Gegenwart sehr nahe, denn Diskriminierung fand unter dem Vorwand der Sicherheit schon immer ihre Legitimation: »Es war das Gegenteil dessen, was ein Anker ist: der Versuch, etwas Andersartiges, etwas Gehasstes und Gefürchtetes zu entwurzeln.«

Der zwölfjährige Noah, genannt Bird, wächst in dieser unsicheren Welt heran. Mit seinem Vater Ethan, einem Linguisten, lebt er in einer kleinen Campuswohnung in Harvard. Seine Mutter Margaret hat die Familie verlassen, nachdem ihr Gedicht über die »verschwundenen Herzen« unfreiwillig zum Schlachtruf und sie selbst zur Galionsfigur des Widerstands gegen das System geworden ist. Auch wenn über die Vergangenheit geschwiegen wird, sind Bird die Gründe seiner bedrohten Identität unter dem autoritären Regime bewusst: weil seine Mutter die Tochter chinesischer Einwanderer, und er der Sohn seiner Mutter ist. »Es ist gefährlich, wenn man so aussieht wie er, schon immer gewesen. Es ist in mehr als einer Hinsicht gefährlich, das Kind seiner Mutter zu sein.«

Trotzdem begibt sich Bird auf die Suche nach seiner Mutter, als er einen rätselhaften Brief von ihr erhält. Geleitet von ihren Erzählungen führt Birds Weg in eine Bibliothek, die im Roman zum geheimen Ort des Widerstands wird. Sie ist Anlaufstelle für Familien, deren Kinder aufgrund des Versprechens von PACT (Preserving American Culture and Tradition) ihren Eltern entrissen und in Pflegefamilien gesteckt wurden. Auch Birds Freundin Sadie gehört dazu. Sie ist eines der »verschwundenen Herzen« unzähliger asiatischer und systemkritischer Familien. Der Widerstand, er beginnt im Roman von Celeste Ng mit den Büchern und Geschichten und endet in einer bewegenden Protestaktion, deren Worte in den Erinnerungen der Menschen nachhallen.