Précey — Safer Space für FLINTA*; Foto: Niluh Barendt

Awareness ist kein Beiwerk

Das FLINTA*-Kollektiv Précey im Interview über Sexismus und Safer Spaces

Sexismus und Diskrimierungen gehören noch immer zum Club-Alltag zwischen Dancefloor und Social-Media-Battlefield. Die DJ und Produzentin Marie Montexier, die mit ihren Kolleginnen Aino DJ, no:elia und Philo im Jaki die Party­reihe Précey verantwortet, veröffentlichte Ende Oktober einen viel diskutierten Beitrag in der taz, in dem sie ihre persönlichen Erlebnisse in einen größeren Zusammenhang brachte. Für uns Anlass genug, die Künstler*innen zum Gespräch zu bitten — die vier antworten als Kollektiv.

Marie, für die taz hast Du das Thema »Sexismus im Partyleben« aus deiner Sicht beschrieben. Wie war das Feedback auf den Beitrag?

Feedback gab es von vielen verschiedenen Seiten, sei es von Jour­na­list*in­nen, anderen Künst­ler*in­nen und Kollektiven. Die Mehrheit hat sich mir dankbar gezeigt, dafür das Thema aufzufassen. Es ist kein leichtes, sich diesen unangenehmen Erfahrungen zu stellen, und auch als Künstler*innen sollten wir uns zusammenschließen und uns gegenseitig unterstützen. Ich bin dankbar, diesen Rückhalt von vielen möglichen Seiten erhalten zu haben. Mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wir mit weniger Furcht über diese Dinge sprechen können, sie werden jetzt endlich für wahr be­­funden und auch gehört. Trotz alledem gibt es noch viel Arbeit, die in unserer Szene und auch außerhalb ihrer geleistet werden muss. Nicht nur Sexismus, auch andere Diskriminierungsformen sollten Teil dieses Diskurses sein — auch Aspekte unterschiedlicher sozialer Positionen aufgrund von fehlenden Ressourcen sollten hier ihren Platz finden.

Ihr vier kommt alle aus unter­schied­lichen Milieus: Habt ihr euch schon mal darüber ausgetauscht, ob es da auch Erfahrungen gibt, die abweichen — oder macht man als FLINTA* — letztlich die immer gleichen Erfahrungen?

Wir tauschen uns viel über unsere Er­fah­rungen aus und merken, dass Ähnliches erlebt wurde, auch wenn sich diese Erzählungen leicht von­ein­ander unterscheiden. Es ist natürlich schön, die Möglichkeit zu haben, sich auszutauschen und für einander Verständnis aufzubringen, dennoch ist es wichtig, dass Promoter*innen sich mit uns als Künst­ler*innen und unserer Musik auseinandersetzen. Denn auch wir als Frauen haben die Er­fahrung gemacht, auf unser Geschlecht reduziert zu werden. Anfragen für Ver­an­stal­tungen, bei denen es offensichtlich ist, dass die Promoter*innen über­haupt nicht wissen, was für Musik sie erwartet, sind nicht wert­schätzend für die Arbeit, die Künst­ler*innen leisten.

Habt ihr euch schon mal bei Veran­stalter*innen beschwert oder auf Miss­stände hingewiesen? Und habt ihr im Anschluss die Erfahrung gemacht, dass sich Problemen, wie falscher Türpolitik, fehlender Awareness, aber auch einem safen Backstage angenommen wurde?

In Richtung struktureller Aware­ness-Arbeit ist in Köln immer noch viel zu tun. Es gibt vereinzelt Kollektive und Initiativen, die sich dem Thema annehmen, aber ge­ra­de auf Club-Ebene sind es meistens Einzelpersonen, die hier Initiative zeigen. Feedback zu geben, erachten wir als einen wichtigen Be­stand­teil. Schlechte Erfahrungen, die an einem Abend gemacht werden, hinterlassen oftmals Unsicherheiten und negative Gefühle, die es erschweren, kons­truktives Feedback da zu lassen. Auch wenn wir uns zu solchen Situationen äußern, ist es kein Leichtes, diese zu thematisieren. Denn die Sorge, bei Promoter*innen als »schwierig« zu gelten, gibt es immer noch. Aber es gibt in diesem Kontext auch positive Erfahrungen: In einem Kölner Club hat das unfreundliche und unreflektierte Verhalten eines Türstehers durch Feedback schließ­lich Konsequenzen nach sich gezogen. Grundsätzlich erachten wir es aber auch an dieser Stelle als wichtig, dass diese Arbeit nicht nur von FLINTA*-Personen geleistet wird. Gerade Personen, die dieser Gruppe nicht angehören, sollten sich ihrer Privilegien weiter bewusst werden und durch Feedback unterstützen. Dies würde auch der Stereotypisierung von FLINTA*-Personen als »an­strengend«, »kompliziert« und »fordernd« entgegenwirken.

Was würde für euch überhaupt einen »safe(r) space« charakte­risieren? Wie versucht ihr, einen solchen innerhalb eurer eigenen Partyreihe Précey umzusetzen?

Ein Safer Space ist subjektiv definiert und abhängig davon, welchen Dis­krimi­nierungsformen Personen ausgesetzt sind. Wir definieren ihn als einen Ort der gegenseitigen Rücksichtnahme und Achtsamkeit, an dem es für alle Akteur*innen möglich ist, sich frei von jeglicher Form der Dis­kri­mi­nierung zu bewegen. In der breiten Massen­gesell­schaft fehlen diese Safer Spaces. In unserer Vorstellung könnte ein Safer Space in Form eines Vernetzungsraumes für FLINTA* Personen in Köln entstehen. Ein Raum, in dem das Auflegen und der Austausch stattfinden kann und dadurch der Zugang zur Clubszene erleichtert wird. Zudem schränken monetäre Faktoren zusätzlich den Zugang zu Technik ein, ein offener Raum kann solche Hürden abbauen. Aus diesem Grund sind wir aktuell auf der Suche nach Kooperationen und finanzieller Unterstützung.

Wir definieren den Safer Space als einen Ort der gegenseitigen Rücksichtnahme und Achtsamkeit, an dem es für alle Akteur*innen möglich ist, sich frei von jeglicher Form der Diskriminierung zu bewegen
Précey-Kollektiv

Auf unseren Veranstaltungen versuchen wir, Safer Spaces zu kreieren, hier­bei ist es uns wichtig, sich nicht nur mit dem Aware­ness-Begriff zu schmücken, sondern dieses Denken auf allen Ebenen um­zu­setzen. »Aware­ness Poster« im Club auf­zu­hängen ist sicher löblich, aber es bleibt unzu­reichend. Wir geben uns bei unseren Veran­stal­tungen Mühe, in allen Bereichen mit­zu­wirken und Präsenz zu zeigen, wo es möglich ist. Das kann auch bedeuten, während einer unserer Partys den Einlass mit im Auge zu behalten. Luisa arbeitet im Club Jaki, wo unsere Ver­an­staltungen quartals­weise statt­finden. Dort beschäftigt sie sich eingehend mit den Club-Strukturen. So hat ein Teil des Teams dort gerade erste Aware­­ness-Work­shops absolviert, des Weiteren wird auch die Arbeit an der Türe besprochen und mit in den Prozess eingebunden. Wir finden es unab­ding­lich, an dem Thema dran­zu­bleiben und es immer wieder kritisch zu behandeln. Gleich­zeitig ist uns bewusst, dass sich das Thema wandelt und wir uns stetig weiter­bilden müssen. Es gibt beispiels­weise die Aware­ness-Akademie, die von der Club­commission in Berlin geführt wird, die solche Ent­wick­lungen unter­stützen kann. Die Kurse sind meist kosten­los und oft­mals auch online und eignen sich für alle Akteur*innen des Nacht­lebens.

stadtrevue präsentiert:
Précey feat. Club Fitness, Cryptofauna & no:elia
Fr. 9.12, Jaki, 23 Uhr