Immer härtere Ertüchtigungen: Artmann&Duvoisin; Foto: Arne Schmitt

Tanz den Kapitalismus!

Das Tanzensemble Artmann&Duvoisin macht in »A Voice of a Generation« kapitalistische Verhältnisse am eigenen Körper sichtbar

In der Serie »Girls« von Lena ­Dunham gibt es einen ikonischen Moment: Die Hauptfigur Hannah erzählt ihren Eltern, dass sie Schrift­stellerin werden will, doch die drohen ihr, den Geldhahn zu zu drehen, sollte sie wirklich einen Versuch unternehmen. »I think that I may be the voice of my generation«, argumentiert Hannah. »Or a voice. Of a generation.« Ein Schwanken zwischen dem nötigen Glauben an die eigene Einzigartig­keit und der Angst, überhaupt nicht zu wissen, was die eigene Stimme oder die eigene Generation eigentlich ausmacht. Ihr Abweichen von konventionellen Wegen ist am Ende für ihre Eltern nur unter einer Bedingung akzeptabel: Erfolg und das persönliche Streben nach Erfolg — in einem ausbeuterischen System.

Für das Kölner Tanzensemble Artmann&Duvoisin war dies der Ausgangspunkt für das Stück »A Voice of my Generation«, urauf­geführt im August und nun erneut auf dem Spielplan der Tanzfaktur. »Was in dieser Miniatur von ›Girls‹ als ein persönlicher Kampf erschei­nen könnte, verstehen wir als einen systemischen Zustand der Hoffnung, der Künstler*innen zu Kom­pliz*innen kapitalistischer Dynamiken machen kann«, schreibt die Gruppe im Begleittext. Auf der Bühne: die Organistin und Komponistin Annie Bloch am Keyboard und fünf Tänzer*innen in sportlichen Outfits. Hin und her hetzen sie über die Bühne, verschränken sich zu menschlichen Knäueln, aus denen irgendwann nicht mehr ersichtlich wird, wer da wen stützt und wer an wem zerrt, und leiten sich gegenseitig zu immer härteren Ertüchtigungen an.

»Es hilft, die nachzuahmen, denen es einfach passiert, aber make it your own«, sagt eine Tänzerin in Richtung Publikum, oder: »Der Konflikt ist: Durchlässig sein wollen und schlucken müssen.« In einer der intensivsten Szenen stopfen sie sich, kniend vor dem Publikum, Brausetabletten in die Münder, die überschäumen, je mehr Wasser sie aus Sportflaschen in sich hinein pumpen.

Das ist schwer anzusehen, doch tatsächlich werden auf diese Weise Dynamiken kapitalistischer Verhältnisse am eigenen Körper sichtbar. Mit sich zu immer ausgefalleneren Kapriolen aufschwingenden Tänzen zeigen sie, wie diese Dynamiken gleichzeitig Antrieb sein können. »Wie Abschied nehmen von etwas, das uns (auch) nützt, belebt und bevorzugt?«, fragt Artmann&Duvoisin.

Tanzfaktur, 9. & 10.12., 20 Uhr