Rosiger Himmel, aber keine rosigen Zeiten: WDR-Arkaden an der Nord-Süd-Fahrt

Strafversetzt?

WDR-Klimaexperte Jürgen Döschner verklagt seinen Sender, weil der ihn nicht arbeiten lässt

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steckt in der Krise, Auslöser sind unter anderem Vorwürfe der Vetternwirtschaft, Untreue und Geldverschwendung beim RBB, die mittlerweile staatsanwaltlich untersucht werden.

Der WDR produziert derweil andere Schlagzeilen. Ende Oktober reichte der auf Energie- und Klimathemen spezialisierte Redakteur Jürgen Döschner »wegen Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte durch mehrjährige Nichtbeschäftigung« eine Klage beim Arbeitsgericht Köln ein. Bekannt wurde dies durch Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger und auf der Website des Recherchezentrums Correctiv. Weil »er kritische Kommentare zum Braunkohletagebau formuliert hatte«, sei der 65-jährige seit drei Jahren kaum noch präsent im WDR-Programm, schreiben die Medienpartner mit Bezug auf Döschners Anwalt.

Der WDR schoss scharf zurück, bezeichnete die Berichterstattung als tendenziös und äußerte sich detailreich zum Wirken des Klägers für Cosmo, einem WDR-Programm für ein jüngeres, interkulturelles Publikum. Auf diesem Sender kommt Döschners Klima-Expertise kaum zum Tragen, doch die Senderspitze hatte ihn 2020 dorthin versetzt. »Redaktionsdienste nimmt er im Gegensatz zu seinen Kolleg:innen nicht wahr, an Konferenzen nimmt er nicht regelmäßig teil«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Solche Details gehören, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, nicht in die Öffentlichkeit. Kein seriöses privatwirtschaftliche Unternehmen würde sich eine derartige Blöße geben — aus Angst, potenzielle künftige Mitarbeiter zu verschrecken.

Der WDR reagierte nach ähnlichem Muster wie 2021. Damals warf er dem Spiegel »falsche Tatsachenbehauptungen« vor, nachdem dieser über das Löschen eines »heiklen« Döschner-Beitrags über Armin Laschet aus der ARD-Audiothek berichtet hatte.

Die WDR-Kommunikationsabteilung habe Döschner an den Pranger gestellt, kritisiert der WDR-Personalrat. Der Beitrag greife offenbar auf »Inhalte aus vertraulichen Personalgesprächen« zurück. Ungewöhnlich auch: Online verlinkte der WDR unter der offiziellen Stellungnahme des Unternehmens auf einen von mehr als hundert Mitarbeitenden des WDR-Newsrooms unterzeichneten Leserbrief an Correctiv und Kölner Stadt-Anzeiger. Darin heißt es: »Wir widersprechen für unsere redaktionelle Heimat, den WDR-Newsroom, Ihrer Darstellung, es herrschten ›mafia-ähnliche Strukturen‹, ein ›totaler Klimawandel‹ und wir seien vergleichbar mit ›einem Staat‹, in dem ›die Gewaltenteilung nicht gegeben‹ sei.« Der Leiter des WDR-Newsrooms, Stefan Brandenburg, gilt als Intimfeind Döschners.

Dass WDR-Mitarbeitende ihren Newsroom pathetisch als »Heimat« bezeichnen, ist ein weiteres Indiz dafür, dass in der aufgeheizten Auseinandersetzung jedes verbale Kaliber recht ist. Newsrooms von Medienhäusern sind in der Regel unwirtliche Orte.

Anfang November schaltete sich dann auch noch die Redaktionsvertretung ein und beklagte eine Beeinträchtigung der »inneren Rundfunkfreiheit im WDR«. Hintergrund: Döschner, einst ARD-Hörfunkkorrespondent in Moskau, hatte im Februar von einem Redakteur des »Morgenechos« auf WDR 5 einen Beitrag über das ukrainische AKW Saporischschja zugesagt bekommen. Nach »Hinweisen aus der Führungsebene des Newsrooms« habe der »Morgenecho«-Mann dann aber abgesagt.

»Es stellt sich uns nicht zuletzt auch die Frage, welche Betriebskultur das Haus im Umgang mit Kolleg:innen pflegt, die ihm unbequem erscheinen«, bilanziert der Personalrat. Dabei braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner derzeitigen Lage unbequeme Mitarbeiter mehr denn je.