Installationsansicht Merlin Bauer, Liebe deine Stadt I, 2005, Dibond, Aluminium

Hier könnte alles golden sein

Das Kolumba fragt zum 15-jährigen Jubiläum nach der Beziehung zwischen Ort und Subjekt

Der Titel der Jahresausstellung in Kolumba ist ein Versprechen: »making being here enough« — ­dafür sorgen, dass hier zu sein ­genügt. Oder, in einer anderen Übersetzung: Einfach hier sein und nichts weiter. Doch wer kann das, in dieser beunruhigenden Zeit? Orte verschwinden durch Kriege und Umweltzerstörung von der Landkarte, Bevölkerungen werden in die Flucht geschlagen, Städter*innen durch Gentri­fizierungsprozesse aus ihren Quartieren verdrängt.

Der Ausstellungstitel ist eine Art Leihgabe, ein Werktitel der Künstlerin Roni Horn für eine Textarbeit, die jetzt im Treppenhaus des Museums hängt. Als Zwanzigjährige reiste die Amerikanerin 1975 zum ersten Mal nach Island, eine Erfahrung, die ihr Leben und Werk prägen sollte. »In ­Island«, schrieb sie, »gibt mir nichts direkt oder indirekt zu verstehen, dass ich weniger bin, als ich bin.« Das schloss auch die Erfahrung ein, sich als queere Person in Island nicht diskriminiert zu fühlen.

Mit »making being here enough« feiert das Kunstmuseum des Erzbistums Köln sein 15-jähriges Bestehen. Tatsächlich war ein »Hiersein, das genügt«, von Anfang an ein Modus des Kolumbas. Einmal im Jahr präsentiert das Museum eine neue Hängung, meist von Kunstwerken sowie profanen und sakralen Objekten aus der eigenen Sammlung. Doch diese rotieren um einen ortsfesten Kernbestand: So ruht die »Große Liegende« (2000) von Hans Josephsohn seit der Eröffnung des Hauses im Innenhof; Richard Serras Stahlskul­p­tur aus zwei sich gegenseitig stützenden Teilen, »Die Untergegangenen und die Geretteten«, steht seit 1997 unter freiem Himmel in der ehemaligen Sakristei von St. Kolumba. Serras Skulptur, ursprünglich für die ehemalige Synagoge in Stommeln entstanden, gilt sogar als ideeller Grundstein von Kolumba. Von hier aus hat der Architekt Peter Zumthor die Vielschichtigkeit des Ortes — Kirchenruine, Friedhof, Kapelle —, wie er mit Schweizerischer Untertreibung sagte, »einfach weitergebaut«.Schon beim Betreten des Gebäudes zeigt sich, wie das Kolumba im Jubiläumsjahr weiter in den urbanen Raum ausgreift und Akteur*innen der Stadtgesellschaft einlädt. Im Eingangsbereich wird das Publikum von beschrifteten Holzschildern begrüßt. Sie erinnern an Schilder, die in den 1960ern von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung beim »Marsch auf Washington« getragen wurden — ein Protest, auf dessen Höhepunkt Martin Luther King verkündete: »Ich habe einen Traum.« Mit den Schildern und ­einem Architekturmodell aus ­Papier fordern und entwerfen die Künstler*innen des Kölner Kollektivs X-SÜD, in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus KAT18 und dem Planungsbüro raumlaborberlin, Inklusion in der Lebens- und Arbeitswelt.Auch das zweite Kunstwerk im Eingangsbereich, Merlin Bauers Druckgrafik mit einem Fragment aus dem Schriftzug »Liebe deine Stadt«, verweist auf eine kollektive Unternehmung. Mit »Liebe deine Stadt« mobilisiert Bauer seit zwei Jahrzehnten die Kölner*innen, sich besser um ihre unterbewertete, vernachlässigte Nachkriegsarchitektur zu kümmern. Der Schriftzug, der sonst über der Nord-Süd-Fahrt prangt, findet sich jetzt im größten Raum von Kolumba wieder. Durch den Kontextwechsel erhält er eine skulpturale Monumentalität, die mit der sozialen Dynamik von »Liebe deine Stadt« wenig zu tun hat. Nach einer Sanierungsphase kann die Textarbeit glücklicherweise in ihren ursprünglichen, passgenauen Kontext zurückkehren.Mit zwei Arbeiten von Eric Baudelaire, »Du kannst dir Zeit nehmen« und »Schön wie ein Buren, aber weiter entfernt« [Anm. d. Red.: gemeint ist der französische Künstler Daniel Buren] geht die Ausstellung an die Stadtränder von Paris und Köln. Beide Projekte beruhen auf der Kooperation mit Schüler*innen, die ihr Verhältnis zu Orten in Texten, Filmen und Objekten formulieren.»Schön wie ein Buren, aber weiter entfernt« ist ein Work-in-Progress, das sich im Lauf des Jahres an der Kölner Peripherie und in Kolumba selbst entwickeln wird. »Du kannst dir Zeit nehmen« ist ein zweistündiger Film und ein Lichtblick. Souveränität und Witz der Akteur*innen sind pure Inspiration. Am Ende entwerfen zwei Schülerinnen quasi im Vorbeigehen ein mutiges Gestaltungskonzept für den blassen Stadtraum: Neonfarben für den Fußgängerüberweg, Leo- und Tigerprints, und an anderer Stelle könnte alles golden sein. 

making being here enough, Kolumba — ­Kunstmuseum des Erzbistum Kölns, Kolumbastraße 4 bis 14.8.2023, Mi–Mo 12–17 Uhr