Zurück in die Zukunft
Kommt 2023 wirklich tierfreundliches Laborfleisch, womöglich aus dem 3D-Drucker? Werden weiterhin Klassiker veganisiert, auch Vitello tonnato und Elsässer Schlachtplatte? Wird gleichzeitig, wie vorhergesagt, die Küche Malaysias neue Aroma-Referenz? Die Schlagzahl neuer Moden wird jedenfalls zunehmen. Das angesagte Lokal von heute gilt morgen als öde, und Instagram-Foodies knipsen ihr Streetfood schon woanders.
Zwangsläufig ergibt sich durch die mediale und reale Übersättigung der Eindruck, alle kulinarischen Zonen schon durchmessen zu haben. Und dann folgt: der Blick zurück. Es gibt ja schon Interesse an der Küche der Antike oder des Mittelalters. Der Blick findet aber oft schon früher Halt. So ergeben sich Retro-Phänomene wie auf anderen kulturellen Feldern. In Köln findet sich nun wieder Crème brûlée mit Tonkabohnen auf den Karten, ein Spleen der Jahrtausendwende! Aber auch Crème caramel mit Grand Marnier wird zum Dessert serviert. Es wird sogar wieder flambiert! Wer’s herzhafter mag: Auch der Krabbencocktail taucht aus den Untiefen der 80er Jahre auf und erscheint in Restaurants mit Anspruch. Kann man bald in Bistros wieder Camembert aus dem Ofen mit krauser Petersilie und Preiselbeergelee bestellen? Und sind nicht die allgegenwärtigen Bowls mit ihrem Globalisierungs-Spirit letztlich bloß eine Variation des links-alternativen Rohkosttellers aus den 80er Jahren? Und was ist denn all das, was nun in Teig gepackt und als Streetfood verkauft wird, mehr als bloß ein vom Häppchen zum Happen vergrößerter Bestandteil eines Crossover-Partybüfetts wie in den 90er Jahren, mit leicht variierter Gewürzmischung?
Retro-Phänomene in der Kultur sind üblich, nach ein paar Jahren im Theater oder auf Konzerten erlebt man Déjà-vus. Doch die bessere Gastronomie hatte sich zuletzt immer der Innovation verpflichtet gefühlt. Das muss aber ja gar nicht sein. Man kann einfach das Alte bessermachen. Was den Krabbensalat angeht, braucht Köln aber vielleicht noch etwas Nachhilfe.