In seinem Element: Christian Stock von K.R.A.K.E. in der Müllfalle; Foto: K.R.A.K.E.

In der Falle

Seit September schwimmt eine »Müllfalle« im Rhein. Sie soll Erkenntnisse liefern, wie viel Unrat im Fluss landet und wie er dorthin kommt

Alle zwei Wochen steht Christian Stock bis zur Hüfte in Problemen. Dann watet der Vorsitzende des Vereins K.R.A.K.E. durch zwei überdimensionale Körbe, die im Rhein schwimmen, und leert die Behälter mit den Händen. Was Stock aus dem Fluss fischt, sollte dort nicht sein. »Uns gehen hauptsächlich Plastik- und Glasflaschen ins Netz — und sehr viel Müll, der wohl aus Küchen der Rheinschiffe kommt«, so Stock. Würden Stock und seine »Kraklinge« ihn nicht aus dem Wasser holen, würde der Müll in die Nordsee gespült.

Die Auffangbehälter gehören zur sogenannten Müllfalle, die seit September nahe der Zoobrücke im Rhein schwimmt. Die Konstruk­tion ähnelt einem Schiffsanleger — knapp zehn Meter lang und fünf Meter breit, verankert am Flussgrund. Als Vorbild diente ein Bau in der Themse nahe London. K.R.A.K.E. brachte die Idee nach Köln, und setzte sie selbst um. Die Müllfalle ist ein Eigenbau. Die Kosten für Bau und die Inbetriebnahme von knapp 160.000 Euro finanzierte der Verein durch Spenden und Sponsoren. Bis die Müllfalle im Herbst zu Wasser gelassen wurde, vergingen fast drei Jahre. Der Verein musste vor allem die Behörden überzeugen. Neben der Bezirksregierung waren das die Untere Naturschutzbehörde der Stadtverwaltung und das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Köln. »Man hatte Sorge, dass sich die Falle aus der Verankerung reißen oder Tiere darin gefangen würden«, erzählt Stock. K.R.A.K.E. bekam für das Projekt eine Pilot­phase — »ein Jahr auf Bewährung«, nennt Stock es. Nach den ersten Wochen, die die Müllfalle in Betrieb ist, sieht Stock sich bestätigt: »Man hat uns immer wieder gesagt, dass das alles nicht funktionieren würde — aber es funktioniert!«

Schon die ersten Wochen lieferten Erkenntnisse. Die betrafen etwa die Art des Mülls in der Falle. »Dass der Anteil an Schiffsmüll so hoch ist, hätten wir nicht gedacht«, sagt Stock. »Es kann ja mal passieren, dass was über Bord geht. Aber wenn sich die Zahl der Ketchup-Eimer häuft, ist das vermutlich kein Versehen mehr.«

Die Helferinnen und Helfer von K.R.A.K.E. finden auch weniger groben Müll im Rhein. »Nach Regentagen haben wir sehr viele kleine Plastikpellets in der Falle — Granulat für die Plastikproduktion«, sagt Stock. Das Mikroplastik verfängt sich zwar nicht in den Netzen, setzt sich aber an Treibholz fest. Stock vermutet, dass die kleinen Plastikteile am Industriestandort Wesseling in den Rhein gelangen, wo sie in Ufernähe umgeladen werden. Ähnliche Befunde hatte im vergangenen Jahr bereits Greenpeace mit Wasserproben geliefert.


Man hat uns immer wieder gesagt, dass das alles nicht funk­tionieren würde —  aber es funktioniert!
Christian Stock (K.r.a.k.e.)

 

Überhaupt habe das Wetter großen Einfluss darauf, was und vor allem wie viel Müll K.R.A.K.E. in die Falle geht. »Wenn der Rhein einen höheren Pegel hat und besser von den Nebenflüssen gespeist wird, finden wir mehr Müll«, sagt Stock. Zudem könne Regen Müll vom Ufer in den Fluss spülen.

Die Beobachtungen der vergangenen Wochen möchte K.R.A.K.E. in belastbare Zahlen überführen. In Kooperation mit der Universität Bonn führt der Verein in einem Zeitraum von einem Jahr ein Monitoring durch: Wann landet wie viel und welcher Müll in den Fangnetzen? »Wir werden für den Bereich unserer Müllfalle repräsentative Zahlen haben, die wir dann hochrechnen können«, sagt Stock. Es heißt, dass circa eine Tonne Müll pro Tag vom Rhein in die Nordsee gespült wird. »Das ist ein Schätzwert«, so Stock. »Aber wir können bald hard facts liefern.«. Zudem kann Stock sich vorstellen, die Erkenntnisse zu nutzen, damit die Abfälle gar nicht erst im Wasser landen: »Man kann gezielter den Fragen nachgehen, wo der Müll seine Quellen hat und wie man dafür sorgen kann, dass die Verursacher ihre Abfälle künftig anders entsorgen.«

Christian Stock geht davon aus, dass das Projekt nach der Pilotphase fortgesetzt wird. Die Rückmeldungen aus Stadtgesellschaft, Politik und Behörden seien bisher positiv. Stock ist auch schon auf der Suche nach neuen Sponsoren: »Letztens ist uns eine große Boombox ins Netz gegangen, die tagelang im Rhein getrieben sein muss.« Laut Hersteller sei der Lautsprecher spritzwasser­geschützt. Als ihn die Helfer von K.R.A.K.E. getrocknet hatten, habe er noch immer funktioniert. »Wenn der Hersteller klug ist, macht er bald Werbung mit uns«, sagt Stock und lacht.