Tor zum Glück: Party von Schleuse Eins

»Wir haben eine Crowd, die vielfältig feiert!«

Partyreihe, Festival, Kollektiv — Schleuse Eins im Gespräch

Die Partyreihe als Family Affair. Paul Herz und Raphael Hansen sind zwei der drei Gründungsmitglieder von Schleuse Eins. Zum Trio gehört noch Max; sie kennen sich seit mehr als zehn Jahren aus Aachen. Ebenso aus der Karlstadt stammt das Visual Department aus Basti, Oscar und Pieter, sowie die neue Resident-DJ Greta. Mittlerweile leben alle Schleusen-Mitglieder in Köln und konnten innerhalb kurzer Zeit eine treue Crowd aufbauen. Zum dreijährigen Bestehen beschenkte man sich selbst mit einem Festival, das für viele Kölner*innen das Highlight des Sommers war.

Wie haben wir uns eure musikalische Sozialisation vorzustellen? Wie war es um elektronische Musik in Aachen bestellt?

Paul: Wir dachten früher, dass wir nach Köln, Rotterdam oder Brüssel fahren müssen, um ordentliche Partys zu erleben. Dabei gab es damals in Aachen schon coole Sachen! Die »Transition«-Party-Reihe im Musikbunker zum Beispiel. Die haben Leute gebucht, die ein Jahr später durch die Decke gegangen sind. Dax J zum Beispiel. Außerdem gab es auch das Festival »Niemandsland«, was wir super fanden. Da wurden Fjaak und Dr. Rubinstein gebucht, bevor sie jemand kannte. Sowas wollten wir auch machen.

Wo ihr gerade Wald-Raves als prägend angesprochen habt. Wie habt ihr eure Partyreihe, die ihren Namen von den Schleusen-Türen eines Aachener Bunkers ableitet, entwickelt?

Raphael: Wir haben mit Outdoor-Raves angefangen. In Köln dann am Grüngürtel. Danach war Winterpause — und da hatten wir Schwierigkeiten in Köln was zu finden. Die meisten Locations sind exorbitant teuer, wenn überhaupt verfügbar. Dann kam Corona. In der Zeit haben wir uns darauf konzentriert, ein Netzwerk aufzubauen, mit Streams auf meinem Balkon oder bei Paul in der Wohnung. Wir haben versucht, so viel Content wie eben möglich zu liefern. Wir haben dazu Künstler:innen eingeladen aus Köln. Erst nach Corona konnten wir wirklich unsere Reihe und die Festivals umsetzen.

Die Einnahmen bei Off-Location-Veranstaltungen sind eher überschaubar, eure Partys jedoch sehr aufwändig. Zudem habt ihr gerade eine eigene Anlage gekauft. Wie finanziert ihr das alles?

Raphael: Für die Anlage gab es ein gutes Angebot von der Firma, bei der wir bis dahin immer ausgeliehen haben. Die Anlage gibt uns mehr Unabhängigkeit. Das ist uns wichtig. Wir haben dann zusammengelegt, denn wir wollen unabhängig sein von der Clubkultur, die in Köln herrscht. Wir wollen nicht von anderen gesagt bekommen, was geht und was nicht. Wir sind lange genug dabei, um zu wissen, was vernünftig ist und wie man eine schöne Clubnacht herstellt, ohne auf bestimmte Politiken, die in bestimmten Clubs gefahren werden, achten zu müssen.

Paul: Wir haben den Vorteil, dass wir Pieter und Basti an Bord haben. Die haben das technische Know-How, haben Bock und können basteln. Die schaffen es, dass relativ billige Technik, wie eine Lichtleiste, sehr gut aussieht.

Ihr habt mit den Partys angefangen, um selbst auflegen zu können. Jetzt ist es meist kompliziert, den Veranstalter und DJ gleichzeitig geben zu müssen.

Raphael: Das ist die Kehrseite: Das DJ-Sein rutscht immer mehr in den Hintergrund, da der Spaß als Veranstalter größer ist.

Paul: Man kriegt das einfach nicht gut verbunden.

Raphael: Das Set leidet darunter. Das muss man einfach zugeben. Insofern befinden wir uns mittlerweile mit diesem Netzwerk an Künstler*innen in einer super Situation. Die bekommen teilweise kaum eine Chance in Kölner Clubs, weil sie keine eigene Partyreihe haben.

Paul: Da sind oft krasse Überraschungen dabei. Da spielt jemand, den man zuvor nur vom Feiern kannte, ein Set mit nur guten Tracks und der hat’s richtig drauf. Dafür macht man das.


Wir wollen potentiell jedem Zugang gewähren, nicht nur der Bubble
Raphael

Aachen, Köln, Wuppertal — das ist alles regional. Bislang bucht ihr keine Headliner.

Raphael: Letztes Jahr haben wir in der Tat ein Festival nur mit Residents aus der Gegend veranstaltet — 14 insgesamt. Dieses Jahr waren es 44 Leute! Wir wollen einen Space kreieren, wo die verschiedenen Leute aus unserer Bubble in Kontakt treten können. Im Oktober hatten wir mit Victor Magicpower erstmalig jemand da, der nicht aus der Region kommt — sein Closing im Gewölbe hat mich total umgehauen. Sowas wollen wir jetzt häufiger machen. Durch die Kunstwerke als neuen Veranstaltungsort sind wir nun in der Lage, anders zu kalkulieren. Für nächstes Jahr gibt es bereits viele Gespräche. Wobei wir das Business mit Booker:innen noch lernen müssen, da gab es auch Rückschläge.

Wie würdet ihr denn euer Publikum beschreiben?

Raphael: Wir haben eine sehr gute Crowd. Es gab noch nie Auseinandersetzungen bei unseren Partys. Wir wissen darum, dass das unser größtes Gut ist. Wir wollen deswegen in Zukunft auch mit einer weiblichen Sorterin zusammenarbeiten, um den Publikumszufluss, der mit größer werdenden Partys einhergeht, zu kontrollieren. Wir wollen jedem Zugang gewähren, nicht nur der Bubble. Aber es gibt halt bestimmte Kriterien, warum jemand nicht reinkommt: Wenn kein vernünftiges Gespräch möglich ist; wenn die kein Interesse an der Party haben; wenn die nicht wissen, was für Musik läuft. Wir wollen, dass sich alle Besucher:innen bei uns wohlfühlen können.

Was ist das Soundverständnis von Schleuse Eins?

Paul: Wir standen lange für einen härteren Sound, es ging schon gut zur Sache. Aber über das Festival und die Outdoor-Partys kam es auch zu melodiösen und softeren Nächten. Mittlerweile weiß man, dass man auf eine Schleuse-Party gehen kann und gute Musik läuft, die Leute gehen eher wegen des Vibes hin und nicht wegen 145-­­BPM-Techno.

Raphael: Wir haben eine Crowd, die vielfältig feiert! Wir verstehen uns als große Community, alle Leute, die bei uns spielen und zu Gast sind, sehen wir als Freund:innen. Manche Gäste bleiben nach den Partys zum Aufräumen da. Uns supporten auch extrem viele DJs, die dann als Gast kommen, wenn sie nicht gebucht sind.

Zum Schluss das unmoralische Angebot: Würdet ihr einen Club aufmachen, wenn man euch das Geld gibt oder doch lieber in der aktuellen Struktur weiterarbeiten?

Paul: Einen Club aufmachen. Das wäre der Hammer

Raphael: Es ist schon ein Traum von uns, irgendwann mal an eine Location zu kommen, wo wir nicht immer auf- und abbauen müssen. Es gibt zwar gute Clubs in Köln, aber dafür, dass man so ein großes Einzugsgebiet hat, ist die Auswahl echt begrenzt. Es ist schon alles sehr dösig. Die Clubs ruhen sich auf ihren Namen aus, investieren nichts und nehmen trotzdem 25€ Eintritt.

Musik: soundcloud.com/schleuseeins