Skurrile Geräuscheinfälle

Ennio Morricone — Der Maestro

Giuseppe Tornatores Hommage an den Filmkomponisten

Giuseppe Tornatore ist genau der richtige Filmemacher für die Würdigung des 2020 im Alter von 91 Jahren verstorbenen Filmkomponisten Ennio Morricone. Das liegt nicht nur an dem ausführlichen Interview, das der italienische Regisseur mit dem Filmmusik-Giganten kurz vor dessen Tod führen konnte. Jenes Gespräch, in dem Morricone die eigene Karriere resümiert, ist nun das Herz der zweieinhalbstündigen Hommage, in der außerdem zahlreiche Weggefährt:innen Morricone die Ehre erweisen dürfen — von Quentin Tarantino über Hans Zimmer bis Dario Argento.

Tornatore passt auch deswegen so gut zum »Maestro«, weil er seit seinem Meisterwerk »Cinema Paradiso« 1988 selbst immer wieder mit Morricone zusammenarbeitete, 13 Filme zählt ihre Kooperation. Hier verbindet er O-Töne mit Filmszenen und Konzertausschnitten und legt dabei offen, was die Kompositionen Morricones ausmachen. Als deren Fans outen sich auch Bruce Springsteen, Metallica-Frontmann James Hetfield oder die Folkmusikerin Joan Baez. Morricone-Kennern wird kaum entgehen, was der Film ausspart. Morricones Nachwuchs kommt bis auf eine Ausnahme nicht vor, Dirigent Bruno Nicolai, lange Jahre an seiner Seite, fehlt ebenso. Und auch Morricones Avantgarde-Kompositionen, auf die er so stolz war, werden eher stiefmütterlich behandelt.

Davon abgesehen gibt es Anekdoten und Einblicke in seine Arbeit beinahe schon in Überfülle, vieles dürfte selbst eingefleischten Kenner:innen neu sein. Tornatore blättert Morricones Schaffen chronologisch auf, von den Anfangsjahren im Musikgeschäft als Komponist und Arrangeur italienischer Schlager, denen er mit skurrilen Geräuscheinfällen eigenen Touch verlieh, über seine legendären Scores für Sergio Leones Western und die unzähligen, ebenso raffinierten wie eingängigen Melodien für Filme von Hollywood-Größen wie Terrence Malick und Brian de Palma, bis zum späten Oscar für die kongeniale Untermalung von Tarantinos »The Hateful Eight« — mit 87. Insgesamt umfasst sein Schaffen mehr als 500 Filmmusiken.

Zum Geniekult gehört auch, dass Morricone im Umgang alles andere als einfach war. Selbstkritik war nicht seine Stärke, Vorschläge von Regisseuren empfand er als unlautere Einmischung, nicht selten brach er deswegen die Zusammenarbeit ab. Solche Details verschweigt Tornatores Film nicht — bei allem Wohlwollen und aller Nähe zu seinem »Ennio«.

(Ennio) I/B/NL/J 2021, R: Giuseppe Tornatore, 156 Min.