Domestic Resurrection Circus in den 80er Jahren, © Wikimedia Commons

»Mieten, Ratten, Polizei und andere Probleme«

Bread and Puppet macht politisches Theater: Mit riesigen Puppen und Drachen, so lang wie ein Häuserblock

In dem Bücherregal der Wohngemeinschaft, in dem seit fast fünfzig Jahren Literatur früherer Bewohner*innen archiviert ist, fiel kürzlich ein Buch auf: »Puppen und Masken«, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen von Performances — riesige, unheimliche Pappmachee-Köpfe auf den Schultern von Schauspieler*innen, die einen Zylinder lüften, und von kopflosen Kinderpuppen, die aus einem Blumentopf zu wachsen scheinen, eine Person unter einem Bettlaken begießt sie mit Wasser. Ziemliches wirres Zeug. Dazu handgeschriebene Drucke, in ­denen Sätze stehen wie: »Unterm Kinn steckt im Hals die Seele der Puppe.«

Die Recherche fördert zu Tage: Das Bread and Puppet Theater gibt es auch heute noch. Gegründet wurde es 1963 vom Theaterregisseur und Bildhauer Peter Schumann in New Yorks Lower East Side. Neben Handpuppen-Stücken für Kinder waren die Themen ihrer ersten Produktionen: »Mieten, Ratten, Polizei und andere Probleme der Nachbarschaft«. Und die Puppen wuchsen, wurden größer und größer. 1966 heißt es in einem Eintrag etwa: »Bau von 4-5 Meter hohen Puppen und eines häuserblocklangen Drachens«. Bei Antikriegshappenings, Protestdemonstrationen und »3-Stunden-Shows« trat die Gruppe mit wechselnder Besetzung auf. Während der Aufführungen galt es als Brauch, den Zuschauer*innen frisch gebackenes Brot anzubieten. Daher der Name, und wegen der Parole »Brot und Rosen«, die 1912 bekannt wurde, als 20.000 Textilarbeiter*innen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen streikten.

1974 zog die Gruppe in eine Farm in Vermont und errichtete in der Scheune ein Museum für Puppen. Bis 1998 veranstalteten sie hier auch das Festival »Our Domestic Resurrection« (»Unsere häusliche Auferstehung«), doch weil anlässlich des 150. Geburtstages des Kommunistischen Manifests mehrere Dutzend Besucher*innen wegen Drogenmissbrauchs in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten, stellte man das Festival ein. Die Puppenspielerei sei in der Lage »die Welt mit einem unfragmentierten und unkontrollierbaren großen Bild vor sich selbst zu bewahren«, sagte Peter Schumann in einem Interview. Das Bread and Puppet Theater ist heute das älteste, politische Non-profit-Theater der USA.