Er wusste, welche Lieder gespielt werden müssen: Metin Türköz; Foto: Moritz Gröne / Daniel Poštrak

Auf Wiedersehen, Mayistero

Der Arbeiter, Musiker, Songwriter Metin Türköz ist gestorben

Metin Türköz, der durch einen Zufall zu einem großen Musiker und gefeierten Liedermacher in Almanya wurde, ist für immer verstummt. Seine Geschichte begann 1937 in Kayseri in der Türkei und endete 2022 in Köln. Ein Arbeiter, der seine Erfahrungen in den Kölner Fordwerken besang und zum Sprachrohr für seine Generation wurde, ein unerschrockener Barde, der mit Ironie, Freude und Mut seinen Kollegen und Kolleg*innen Stärke schenkte. Ein Musiker, dem die »Gastarbeiter*innen« in Almanya in den 1970er Jahren leidenschaftlich zuhörten.

Für uns begann das Zuhören über Necla Türköz, Metins Frau und inoffizielle Managerin ihres Mannes, die uns — zwei neugierige Fremde — zu sich nach Hause einlud und uns mit ihrer Güte und Herzlichkeit verzauberte. Sie wusste, dass ihr Mann selbst im hohen Alter noch etwas zu sagen hatte, das erzählt werden musste. Ihr haben wir ein wunderbares Interview zu verdanken, das wir Anfang 2019 mit ihrem Mann führen durften.

Als wir an den reich gedeckten Tisch der Familie Türköz gebeten wurden, saß Metin noch auf dem Sofa. Er wirkte alt und abwesend. Doch als wir begannen, Fragen zu stellen und ihn baten, von seiner großen Zeit als Musiker und Sänger zu erzählen, passierte etwas Erstaunliches. Wie ein Schleier fiel die Müdigkeit von ihm ab und es kam ein vitaler, gewitzter Mann zum Vorschein, der uns auf eine außergewöhnliche Reise mitnahm. Wir erfuhren von der Sehnsucht der Ford-Arbeiter*innen nach Liedern, die ihr Leben und ihre Gefühle besangen, von dem wundersamen Aufstieg des Musiklabels Türküola und von Metins Karriere als Aşık, dem viele Menschen in ganz Europa zuhörten.

Seitdem begleitet uns Metin auf unseren Lesungen. In einem Filmausschnitt beschreibt er die Entstehungsgeschichte seines bekannten Songs »Guten Morgen Mayistero« und erklärt mit einem schelmischen Unterton, wie er damit dem nervigen Meister in der Fabrik eins mitgibt. Meinem Vater hätte das als ehemaliger Hilfsarbeiter, der ebenfalls unter seinem Meister litt, sicher gefallen. Ob auch er Metin Türköz hörte?

Das kann ich ihn leider nicht mehr fragen.

Vermutlich wusste Necla Türköz, dass die Lieder ihres Mannes, diese Geschichten augenzwinkernden Aufbegehrens weiterleben werden, auch wenn der Barde verstummt. Denn sie haben die Kraft, Brücken zu bauen und Menschen zusammenzubringen. Wir erleben das jedes Mal wieder, wenn wir unseren Zuhörern Songs von Metin Türköz vorspielen.

Und dann sahen wir Metin Türköz Ende 2019 an dem Ort, den er so sehr liebte — auf der Bühne. Es war ein Drei-Generationen-Konzert im Willy-Millowitsch-Theater in Köln, das der Musiker Nedim Hazar, der Vater von Eko Fresh, organisiert hatte. Uns standen die Tränen in den Augen, als Metin sitzend seinen Song »Guten Morgen Mayistero« sang — umrahmt von Nedim Hazar und Eko Fresh. Danach ging die Reise weiter. Der Auftritt im Millowitsch-Theater war die Keimzelle der großen Revue »Deutschlandlieder«, mit der Nedim Hazar im ganzen Land unterwegs war. Auch hier stand Metin wieder auf der Bühne. Schließlich konnte man den großen Barden sogar im Kino sehen. Cem Kaya und Mehmet Akif Büyükatalay hatten ihn für ihren großartigen Film »Aşık, Mark ve Ölüm« vor die Kamera geholt und ihm den Platz eingeräumt, der ihm gebührte.

Der Schelm saß ihm immer noch im Nacken und in den Kinosesseln in der Filmpalette beschlich uns das Gefühl, dass Metin den Arbeiterkampf gegen seinen ehemaligen Meister nun endgültig gewonnen hatte. Denn auf der Bühne und auf der Leinwand wurde er zum wahren Mayistero.

Metin Türköz wurde 85 Jahre alt. Am 5. Dezember wurde er auf dem Westfriedhof in Köln bei­ge­setzt. 

Am 18.3. sind unsere Autoren mit der Performance »Remix Almanya — Eine postmigrantische HipHop-Erzählung« im Dedicated HipHop Store zu sehen (Hamburger Str. 18, 50668 Köln, 19 Uhr).

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Im Mai 2019 haben Güngör und Loh uns die Geschichte der türkischen Popmusik in Köln erzählt. Damals auf unserem Cover: Metin Türköz