Die kulinarische Welt ist eine Scheibe aus Teig

Pizza sonderbar

Neue Pizzerien werben mit authentischer ­Zubereitung oder veganem Belag. Was ist da los?

Die erste Pizzeria in Deutschland eröffnete nicht in Köln, angeblich nördlichste Stadt Italiens, sondern in Würzburg. Das war vor gut 70 Jahren: Die Italien-Sehnsucht der Deutschen war entfacht, das Radio spielte die »Capri-Fischer« (der Name der Würzburger Pizzeria lautete übersetzt »Sand von Capri«), und keine zehn Jahre später träumte man von la dolce vita und einer Lässigkeit, die hierzulande unvorstellbar schien. Zur Grandezza gehörte es auch, Spaghetti auf eine Gabel wickeln zu können — ohne Löffel! Die Italien-Sehnsucht wurde ansonsten mit Neckermann-Reisen und, wieder daheim, mit »Mirácoli« und Ravioli in Konservendosen gestillt, bald gefolgt von Tiefkühlpizza, die bis heute ein Verkaufsschlager ist.

Nie war Pizza out, sie ist unglaublich robust. Dass sie auch als billigstes Fastfood angeboten wird, hat ihrem Renommee kaum geschadet. Pizza kann alles sein: ein Teigfladen als Plattform für jede Art kulinarischer Aufführung, es gibt sie mit Trüffeln oder Jakobsmuscheln ebenso wie mit »doppelt Käse« oder als wursti e krauti. Überhaupt ist ja ein Teig, der Fleisch oder Gemüse einfasst, der Imbiss schlechthin. Derart kann ­alles »auf die Hand« ausgegeben und verzehrt werden.

Doch auch wenn Pizza immer allgegenwärtig war, so ist es doch auf­fallend, wie häufig nun wieder Pizzerien eröffnen. Fast will es scheinen, es seien alle Imbiss-Trends schon einmal gesetzt worden und alles beginne von neuem. Tatsächlich neu aber ist, dass dieses Pizza-­Revival sich spaltet in zwei Linien, einerseits in den veganen, andererseits in den traditionellen Zweig. Das sind zugleich die beiden grundlegenden, gewissermaßen meta-kulinarischen Richtungen: regional verankerte Tradition und zeitgeistige Ernährungsgebote. Zwischen diesen Polen spielt sich die gesamte kulinarische Entwicklung ab: Bewahren des Ursprünglichen oder maximale Kreativität, heutzutage getragen von der ­Globalisierung und einem kulinarischen Eklektizismus, der sich Fusion, Crossover oder irgendwas mit »pan-« nennt. Die Pizza steht beiden Lagern zur Verfügung, jeder Trend wird ­irgendwann auf einer Pizza dokumentiert, und die kulinarische Welt ist eine Scheibe aus Teig.