Durs Grünbein: »Äquidistanz«

Ein Stadtrevue-Buchtipp

Vor der Berliner Kulisse von Spree- und Landwehrkanal, Schlachtensee und Teufelsberg erinnern und beobachten die jüngsten ­Gedichte von Durs Grünbein. »Äquidistanz« versammelt visuelle und zugängliche, häufig knappe, poetisch reduzierte Poeme.

»Ringbahn« beginnt so: »Stehe am Fenster, haltlos, ein Jahrhundert verging.« Es ist die Trauer über eine Zeit, die durch die Finger rinnt und alles, was im Stadtbild noch an die DDR erinnert, in der Grünbein 1962 geboren wurde, unter sich begräbt. Entsetzen über die »Menschen an Bord, eine Fracht / zwischen zwei Arbeitsschichten beiseite gebracht« von der Ringbahn. Aber auch Rom, wo Grünbein heute ebenfalls lebt, wird zum poetischen Terrain. Was »aufge­schüttet in Jahrhunderten, Schicht um Schicht überbaut« wurde, legt die Dichtung an der »Stazione Termine« wieder frei.

Die einzigen Wermutstropfen dieses Bandes sind Metaphern von Krieg und Gewalt, die in manchen Gedichten nichts zu suchen haben sollten. Mücken werden zu »Bombergedröhn. Der Dritte Weltkrieg ist ausgebrochen.« Dennoch lohnen sich diese Gedichte, weil sie Momente der Konservierung dessen schaffen, was zu vergehen droht.

Suhrkamp, 183 Seiten, 24 Euro