Alt, aber stabil: Zentralbibliothek am Neumarkt

»Von jeder Rationalität entkoppelt«

Die CDU will die Zentralbibliothek abreißen und an ­anderer Stelle neu bauen lassen. Warum nur?

Wenn bei einem Gebäude von ­Rissen und Statikproblemen die Rede ist, ist höchste Vorsicht geboten. Wenn dann noch das Wort »Oper« fällt, gerät man in Köln vollends in Panik: Bloß keine weitere Sanierung, die aus dem Ruder gerät! Nur kein weiteres Millionengrab! So musste denken, wer Ende Januar eine Reihe von Artikeln im Kölner Stadt-Anzeiger las. Darin wurde, ohne eine Quelle zu nennen, von womöglich die Statik gefährdenden Rissen in der Zen­tralbibliothek berichtet, deren ­Sanierung seit langem geplant ist.

Jetzt sei ein Abriss und Neubau sinnvoller, sagte der kulturpolitische Sprecher der CDU, Ralph Elster. Die Stadtbibliothek verdiene eine großartige Architektur. Dies biete auch Chancen für den verlotterten Neumarkt. Seine Vision nimmt jedoch eine interessante Wendung: Der Neubau könne womöglich auch an anderer Stelle ­erfolgen, sagt er. Der jetzige Standort wiederum wurde von der ­Zeitung als zukünftiger Sitz der Stadt­verwaltung ins Spiel gebracht.

»Für uns ist die Hauptoption, dass die Stadtbibliothek am Neumarkt bleibt«, betont Elster. Doch in der Tat sucht die Verwaltung ein neues Zuhause, da der Mietvertrag im Stadthaus Deutz 2028 ausläuft. Zwar hat die Stadt bereits das leerstehende Kaufhof-Verwaltungsgebäude in Neumarkt-Nähe angemietet, doch dem Vernehmen nach reicht die Fläche nicht aus. Ein zentral gelegenes, repräsentatives Entree am Josef-Haubrich-Hof käme da natürlich gelegen. Was aber würde dann aus der ­Zentralbibliothek?

Bereits seit 2012 wird die Sanierung geplant; 2018 fasste der Rat einen Baubeschluss. Zunächst ging man von einer Sanierung bei laufendem Betrieb aus, doch ­davon nahm man Abstand und mietete ein Interim an der Hohe Straße an, was die Kosten erhöhte. ­Zuletzt ging die Stadt von 81 Mio. Euro aus, doch die Baukosten ­steigen drastisch und sind dem Vernehmen nach inzwischen deutlich dreistellig. Eigentlich hätte die Verwaltung dem Rat im März einen Beschluss mit den aktuellen Kosten vorlegen sollen, ­damit der Generalunternehmer wie geplant im zweiten Quartal beauftragt werden kann. Doch nach dem Abriss-Vorstoß der CDU soll dies nun erst im Mai geschehen.

»Diese Diskussion ist von jeder Rationalität entkoppelt«, findet Reinhard Angelis, Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten Köln. Die 1979 errichtete Stadtbibliothek sei mit der mehr als zwanzig Jahre früher errichteten Oper nicht vergleichbar: »Die Bausubstanz von Gebäuden aus dieser Zeit ist erfahrungsgemäß wesentlich besser, die Betontechnik ausgereifter.« Der Umbau der Zentralbibliothek sei technisch nicht annähernd so komplex. Wenn Risse da seien, »dann macht man die eben zu«. Im Hinblick auf den Klima- und Ressourcenschutz sei die Debatte um den Abbruch zudem »völlig aus der Zeit gefallen«.

Die Empörung ist auch im Haus der Architektur groß, das nur wenige Meter entfernt auf dem Josef-Haubrich-Hof steht, und in dem man Anfang Februar zur Sonderveranstaltung lud. ­»Direktorin Hannelore Vogt wird für ihre Arbeit mit Preisen überhäuft«, so Anton Bausinger, Bauunternehmer mit CDU-Parteibuch und Vorsitzender des Fördervereins der Stadtbibliothek. Bausinger verweist darauf, dass die Stadtbibliothek mehr als zwei Millionen Besucher pro Jahr habe und damit mehr als alle städtischen Museen zusammen. »Statt diese Arbeit ­angemessen zu würdigen und mit einer schnellen Sanierung die Zukunft zu sichern, macht man nun diesen Abgrund auf.«

Der Förderverein sowie das ­Literaturhaus sprachen sich in ­Offenen Briefen vehement gegen einen Abriss und für einen raschen Beginn der Sanierung aus. Auch SPD und Linke lehnen einen Abriss ab; die Grünen schweigen bislang. Man wolle »nicht über jedes Stöckchen springen«, sagte Bezirksvertreter Martin Herrndorf im Haus der Architektur, sondern sich in Ruhe kundig machen. Was aber will man hier noch Neues ­erfahren, wenn die Sanierungsplanungen nahezu abgeschlossen sind, ein gültiges Statikgutachten die Tragfähigkeit bescheinigt und die Generalsanierung trotz wachsender Kosten nach Angaben der Stadt aktuell nach wie vor die günstigste und schnellste Option darstellt?

Die Statik des Zentralbibliothek sei doch nicht gefährdet, ist nun auch beim Kölner Stadt-Anzeiger nachzulesen. Ihre Abriss-Idee aber hat die CDU erfolgreich in die Welt gebracht; im Mai wird der Rat darüber entscheiden.