»Love Me More«: Erst Schauspiel, jetzt Museum; © Birgit Hupfeld

Liebe, Angst und Pole Dance

»More Welkfleisch. More Love. More Helge« im Rautenstrauch-Joest-Museum

Für die Liebe ist immer Zeit, erst recht heute, an einem Sonntag: Draußen ist Winter, drinnen ist Museum, nicht unbedingt ein Ort für romantische Gefühle, aber wer sagt, dass Liebe immer romantisch sein muss. In der Werkstatt-Ausstellung »Love?« (bis 10.4.) geht es jedenfalls um den analytischen Blick auf sie: Was hat die Liebe mit Kolonialismus zu tun? Wie hängen Liebe und Machtverhältnisse zusammen?

Im Rahmenprogramm zeigt das Schauspiel Köln ein Medley aktueller Stücke: »More Welkfleisch. More Love. More Helge«. Während wir noch die von Besucher*innen an die Wand gehefteten Post-its lesen, leider teils so tiefgründig wie Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke, geht es hinter uns schon los. An der Stange! Pole Dance!

Vorab muss betont werden, dass das Publikum an diesem Tag durchaus divers ist: Da steht das gutsituierte, weiße Abopublikum neben queer folks in superschicken Klamotten, da sind Kinder, die im Buggy schreien, weil sie auf den riesigen, goldenen Luftpolstern hüpfen wollen. Und da ist Jemima Rose Dean, die sich vor aller Augen unfassbar sinnlich — und akrobatisch noch dazu — aus dem weißen Hemd schält und an der goldenen Stange von der Zurichtung ihres Körpers als Tänzerin erzählt. Bis sie abgesprochener­weise unterbrochen wird von ­Alexander Angeletta, weißer Cowboyhut und auffällig gemustertes Hemd, mit einer berührend schönen Liebeserklärung aus der Feder Oscar Wildes — und dann kommen auch schon die die Liebe stets begleitenden »Ängste« herbei: Das Import-Export-Kollektiv zeigt einen Ausschnitt aus Sibylle Bergs »Helges Leben«, in dem die Figuren Tina und Helge sich zum ersten Mal begegnen, begleitet von ihren ureigenen Negativ-Stimmen im Kopf, dargestellt von hinter ihren Rücken züngelnden, laut schimpfenden und stets in die Angst korrigierenden Schauspieler*innen.

Mit einer intimen Performance vom Oldschool-Ensemble, dass sich mit Dessous alle dafür nicht vorgesehenen Körperstellen schmückt, geht es dem Ende zu: Aus dem Off hört man die Interviewfragmente der Senior*innen aka Schauspieler*innen über ihr Verhältnis zum alternden Körper, zu Liebe und Sex. Füllend und erfüllend sind diese 90 Minuten im Museum, weil sie nahe gehen und Fragen aufwerfen, und vor allem: Weil man hier von allen Stücken gerne mehr gesehen hätte.

Werkstatt-Ausstellung »Love?«, ­Rautenstrauch-Joest-Museum, bis 10.4.