Aufnahmestopp auch hier: Kita Weidengasse

»Die Leute gehen bis an ihre Schmerzgrenze«

In den Kitas fehlen hunderte Erzieher:innen. Die Stadt versucht sich herauszumogeln

Die Kreativität, mit der Kitas und Eltern in Köln inzwischen mit ­Personalausfällen umgehen, ist beachtlich. Gruppen werden geteilt und im täglichen Wechsel betreut. Eltern organisieren morgens per WhatsApp, wer Kinder zuhause betreut, damit andere arbeiten gehen können, oder tragen sich gleich in Listen ein, an welchen Wochentagen sie selbst einspringen können. Es gibt auch Kitas, in denen ein Ampel-System Betreuungsbedarf und verfügbare Plätze koordiniert. Einen Überblick über diese Art von Konzepten, die einige Kitas erarbeitet haben, verschafft sich in diesen Wochen der Elternbeirat des Jugendamts, der die Interessen von Kita-Eltern vertritt.

»Es gibt einen Notstand. Ich glaube, das hat jetzt jeder verstanden«, sagt Heike Riedmann aus dem Beirat. Krankheitswellen, ­Babyboomer, die in den Ruhestand gehen und fehlender Nachwuchs: Der Fachkräftemangel trifft die ­Kitas mit voller Wucht. 150 Erzieher:innen fehlen alleine in den städtischen Einrichtungen. Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil: 2026 tritt ein Rechtsanspruch für die Nachmittagsbetreuung an Grundschulen in Kraft. Die Stadt spricht von 1400 fehlenden Fachkräften. »Man hat sich dem Problem nicht mit dem nötigen Ernst gewidmet. Es wird ­richtig brennen«, sagt Riedmann.

Die akuten Engpässe versuchen Stadt, Kita-Leiter:innen und Eltern gemeinsam zu mildern. Durch die kurzfristige Schließung von Gruppen, Aufnahmestopps — in 45 städtischen Einrichtungen werden zum neuen Kita-Jahr nur noch Geschwisterkinder aufgenommen, teilt die Stadt auf Anfrage der Stadtrevue mit — und einvernehmliche Kürzung der vereinbarten Stunden kann die Betreuung häufig sichergestellt werden. »Das ist eine Lösung mit ganz fiesem Beigeschmack«, sagt Tarek Bahar* (Name geändert). Er sitzt im Elternbeirat der städtischen Kita Weidengasse, die ebenfalls einen Aufnahmestopp verhängt hat. »Wir erhalten die ­Betreuung auf dem Rücken der ­Eltern, die noch nicht im System sind«, sagt er. Besonders treffe die Misere sozial Schwache, ­Alleinerziehende und Menschen, die ihre Arbeit nicht nach den ­Betreuungszeiten der Kita ausrichten können.

Bahar rät davon ab, die Anzahl der Stunden in den Betreuungsverträgen zwischen Eltern und ­Kita-Trägern anzupassen, Er sieht die Gefahr, dass solche Änderungen nicht mehr rückgängig zu machen sind. Davor warnt auch Heike Riedmann. Auf dem Papier sinke zudem der Bedarf an Betreuungsplätzen und damit der Druck, ­Kapazitäten auszubauen.

Eine weitere »Spirale« beschreibt ein Betriebsratsmitglied eines großen Trägers. »Die Leute gehen an ihre Schmerzgrenze«, sagt er über seine Kolleg:innen. »Die Eltern geben uns schließlich das Wertvollste, was sie haben.« Die aktuelle Situation führe zu Frust, weil die Erzieher:innen ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht würden. Die Folge: Viele steigen aus, suchen sich andere Berufe oder schrecken vor dem Berufseinstieg zurück.

Wo neues Personal herkommen soll, ist nicht absehbar. Langfristig müsste der Beruf attraktiver werden: kleinere Gruppen, bessere Bezahlung, mehr Studienplätze. Der Stadtrat in Aachen will derweil das Personal mit 20 Prozent ungelernten Kräften aufstocken. Die Kölner Stadtverwaltung kann dem einiges abgewinnen, verweist aber auf die notwendige fachliche Qualifizierung. Heike Riedmann fordert die schnelle Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und unbürokratische Lösungen. Ein Zurück zu den Standards vor der Pandemie wird es sonst auch mittelfristig nicht geben. Dann dürften noch mehr Eltern die Tagespflege in Anspruch nehmen, die eigentlich für Kinder unter drei Jahren gedacht war. Die Ausbildung dauert 160 Stunden.