Kein Abfeiern, kein Lokalpatriotismus: »Shit(t)y«; © Nathan Ishar

Miniaturen einer Wut

Ungefiltert subjektiv nähert sich das Analog Theater seiner Stadt

Als eine »Kloake von einer Millionen Menschen« beschrieb Rolf Dieter Brinkmann, Underground-Lyriker der 60er Jahre und dauerprovozierender Rebell, die Stadt Köln — und die »Tätigkeit des Schreibens als Widerstand gegen das Herumtoben der Welt«. Von 1973 stammt eine Tonbandaufnahme, »Fratzen in der Straßenbahn« heißt sie, in der Brinkmann seinen Hass auf die Stadt, »an einem stinkenden Rheinfluss, wo nichts mehr stimmt«, freien Lauf lässt. Immer wieder hört man das Aufnahmegerät stoppen, nach einer knackenden Pause geht es weiter im Wutrausch. »Das teils sexistische Abgehate eines alten weißen Mannes«, kommentiert Regisseur Daniel Schüssler. Eine Einordnung, die laut ausgesprochen notwendig ist, immerhin hat das Analog Theater sich die Aufnahmen Brinkmanns zum Ausgangspunkt für ihr Stück genommen.

»Shit(t)y Vol.1 — Strasse. Laterne. Wohnblock« heißt das »multisensorisches Biopic«, die »wummernde Soundperformance«, die im vergangenen September Premiere in der TanzFaktur hatte und im März dort wieder aufgenommen wird. In einer Art Vorab-Recherchereise wurden die Perfomer*innen in die Stadt geschickt, ihre Aufgabe: Konsequent bei sich zu bleiben, Erlebnisse und Situation rein subjektiv zu beschreiben, wie kleine Miniaturen, die später auf der Bühne zusammengetragen werden. »Köln beleidigt sich selbst oft genug und wird auch von außen als eher selbstgefällig wahrgenommen«, sagt Daniel Schüssler. »Wir wollten nicht unbedingt liebevoll, aber radikal subjektiv und ohne Brinkmanns Hass über Köln erzählen.« Welche Orte, Menschen und Gebäude sind für unsere Umwelteindrücke wichtig? Wie manifestieren sie sich? Und wie wollen wir leben in dieser Stadt?

Aus den bei der Recherche ­gemachten Field Recordings und O-Tönen hat der Berliner Musiker Ben Lauber die Soundcollage für das Stück entwickelt, die Visuals, die Teil des Bühnenbildes sind, stammen vom Medienkünstler Michael Schmitz: Er hat das AI-System »Dall-e« mit Textdeskriptionen gefüttert und damit Bilder über Köln generiert, manchmal betonlastige Abbilder im Stil der 50er Jahre, manchmal abstrakt und kaum wiederzuerkennen. »Shit(t)y« eben, kein Abfeiern, kein Lokalpatriotismus, sondern eine performative Auseinandersetzung  mit dem ständig sich im Umbau befindende Narrativ der Stadt, in der wir leben.