Verkünder auf der Bühne: Roger Waters; © Andres Ibarra

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Ein breites Bündnis fordert die Absage eines Konzerts von Ex-Pink-Floyd-Mitglied Roger Waters

Er zeigte ein Schwein mit einem Davidstern auf der Bühne und unterstützt die Israel-Boykottbewegung BDS. Er hält den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine für nicht unprovoziert und nannte die Proteste 2014 auf dem Maidan einen »Putsch«. Seine Ex-Band nennt ihn deshalb einen Lügner und Antisemiten; am 9. Mai soll er in der Lanxess-Arena auftreten: Roger Waters, ehemaliger Bassist und Sänger von Pink Floyd.

»Waters bedient den sekundären, israel-bezogenen Antisemitismus, der eine Kritik an Israel mit antijüdischen Stereotypen verbindet«, sagt Marcus Meier von der Kölnischen Gesellschaft für Christ­lich-Jüdische Zusammen­arbeit. Gemeinsam mit der Synagogen­gemeinde Köln hat sie schon im Dezember die Lanxess-Arena aufgefordert, das Konzert von Roger Waters abzusagen.

Unterstützung kommt aus Poli­tik und Zivil­gesellschaft. Das Konzert »gehöre nicht in diese Stadt«, erklärt das Bündnis Köln stellt sich quer. »Roger Waters ist ein begnadeter Musiker«, sagt Christiane Martin, Fraktions­vorsitzende der Grünen. »Aber seine politischen Aussagen zu Isra­el und dem Ukraine-Krieg kann man nicht unkommentiert lassen.«

Die Grünen haben deshalb mit ­anderen Rats­fraktionen einen ­Offenen Brief verfasst, in dem sie die Lanxess-Arena auffordern, das Konzert von Roger Waters abzusagen: »Dem Gedanken­gut von Geschichts­leugner*innen und ­Anti­semit*innen müssen wir die ­Räume nehmen.«

Zwei Fraktionen haben den ­Offenen Brief nicht unterzeichnet: die AfD und Die Linke. »Wir als Fraktion hätten unterschrieben, aber im Kreisvorstand gab es ­größere Vorbehalte«, sagt Linken-Fraktionsgeschäftsführer Hans Günter Bell. Der Offene Brief verquicke Waters’ Aussagen über ­Israel mit seiner Posi­tion zum ­Ukraine-Krieg. Dies sähen Fraktion und Vorstand kritisch. »Ich ­halte es für falsch, wenn jemand sagt, dass die NATO den Ukraine-Krieg provoziert hat und dies dann mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gleichsetzt«, sagt Bell. »Aber ich finde nicht, dass diese Position ein Auftrittsverbot nach sich ziehen sollte.« Fraktion, Kreisvorstand und Linksjugend wollen sich an Protesten gegen Roger Waters’ Auftritt beteiligen.

Rechtlich gibt es kaum eine Möglichkeit für die Kölner Politik, eine Absage des Konzerts durchzusetzen. 2018 beschloss der Rat, dass in kommunalen Räumlichkeiten keine Veranstaltungen stattfinden sollen, in denen für Antisemitismus oder andere Formen von Menschenfeindlichkeit geworben wird. Die Lanxess-Arena ist jedoch nicht in kommunalem Besitz, sondern gehört der Ticketfirma CTS Eventim. »Wir haben darauf keinen direkten Einfluss,« sagt auch Christiane Martin von den Grünen. »Aber es geht bei dem Brief vor allem darum, politischen Druck aufzubauen.«

Waters bedient den sekundären Antisemitismus, der Kritik an Israel mit antijüdischen Stereotypen verbindet
Marcus Meier, Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit

Bislang gibt es keine Anzeichen, dass die Lanxess-Arena der Forderung, das umstrittene Konzert abzusagen, nachkommen wird. Auf eine Anfrage der Stadtrevue reagierte sie nicht. In Frankfurt ist dies anders. Dort wollen der Frankfurter Magistrat und das Land Hessen einen Auftritt von Roger Waters verhindern. 2018 hatte der Magistrat beschlossen, dass Künst­ler:innen und Organisationen, die den BDS unterstützen, keine kommu­nalen Räume nutzen dürfen. Die Festhalle Frankfurt, wo Waters auftreten soll, gehört zu 60 Prozent der Stadt und zu 40 Prozent dem Land. Von dem Beschluss, das Konzert abzusagen, bis zur Zustellung des Kündigungs­schreibens Ende März vergingen jedoch vier Wochen — ein Indiz ­dafür, dass eine juristische Be­gründung der Absage nicht einfach zu ­formulieren ist. Waters’ Kölner Medien­anwalt Ralf Höcker hat bereits angekündigt, gerichtlich gegen die Absage vorgehen zu wollen.

Auch in München wollte der Stadtrat der kommunalen Betreiber­gesell­schaft der Olympiahalle verbieten, ein Konzert von Roger Waters durch­zu­führen. Die Bezirks­regierung Ober­bayern hielt dies für rechtlich nicht möglich, der Stadtrat rückte von seinen ­Plänen ab. Die Begründung: Die Stadt München dürfe BDS-nahen Personen nicht den Zutritt zu öffent­lichen Räumen verweigern, wenn deren Veranstaltungen dem Zweck des Raumes entsprechen. Waters darf also ein Konzert in der für Konzerte gedachten Olympiahalle spielen.

Eine zivilgesellschaftliche Debatte über den Umgang mit BDS-nahen Künst­ler:innen können ­juristische Regelungen jedoch nicht ersetzen. Das Bündnis Köln stellt sich quer spricht von einer »spannungsvollen Beziehung und Gratwanderung« zwischen dem Kampf gegen Antisemitismus und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Debatte darüber bleibt jedoch zumeist aus, wenn es um weniger prominente Künstler wie etwa Ex-Sonic-Youth-­Sänger Thurston Moore geht. Um diese Diskussion anzuschieben, plant das El-De-Haus eine Veranstaltung zu »Antisemitismus in Kunst und Kultur« — einen Tag vor dem Auftritt von Roger Waters.