Sternzeichen: Bass

Das Freedom Sounds Festival feiert Zehnjähriges — mit einer üppigen Compilation

In der bald 60 Jahre währenden Popmusik-Geschichte Kölns ist es schon länger nicht mehr leicht, sich so profiliert durchzusetzen, dass es nicht nur die eigene Bubble gou­tiert, sondern es auch überregional, gar international ein Ereignis ist. Dem Freedom Sounds Festival ist das gelungen. Dass Köln »Reggae-Stadt« ist samt Berühmtheiten, Sound­systems, Partyreihen, hochspezialisierten Journalisten und einer Underground-Ska-Szene: Klar, wissen wir.

Aber das Freedom Sounds hat das alles noch mal gebündelt, die hiesige Szene wieder an die internationalen gekoppelt, hat jedes Jahr ein Line-up auf die Beine gestellt, das vor allem durch Neugierde und großen Respekt vor den jamaikanischen und britischen Altmeistern des Fachs geprägt ist: Kein Festival-Line-up gleicht dem anderen, nie ging es darum, die strenge Ausrichtung auf Ska, Rock­steady, Reggae und Soul aufzuwei­chen durch irgendwelche Modernismen, es ging aber auch nie da­rum, diese Musik zu musealisieren. Die Konzentration auf jamaikanische Sounds und ihre globalen Spröss­linge bewies — und beweist — hinlänglich, wie zeitgemäß diese Musiken immer noch klingen und welches Potenzial sie besitzen. Es sind ungebrochen Songs, die sich durch (klangliche!) Tiefe und Geschichtsbewusstsein auszeichnen, Speicher für Emotionen und Erzählungen, die von Widerstand und Selbstermächtigung handeln.

Dass die Festivalmacher um Peter Clemm stoisch bei ihrer Linie geblieben sind, hat sich ausgezahlt. Das Freedom Sounds Festival ist aus dem Kölner Musik-Kalender nicht mehr wegzudenken und längst auch Bezugspunkt der internationalen Szene geworden.

Dabei war das Festival nie »Chef-Sache«, weder Bestandteil eines kreativen City-Marketings noch strategisch (von wem auch immer) lanciert. 2013 ging es dann los. Im Interview mit dem Blog »theclubmap.com« hat Clemm auf die Frage, wie das Festival entstanden sei, lakonisch zu Protokoll gegeben: »Aus Trotz und weil wir etwas dafür tun wollten, dass Ska in Köln lebendig bleibt. Als langjährige Ska-Fans vermissten wir damals ein Festival in Köln.« That’s it, und daraus hat sich organisch ein Festivalkanon entwickelt, der die Spuren, Mutationen und Wucherungen von Ska weiterverfolgt — bis zu Dancehall, Digital Dub und Disco. Dabei kam das Festival über Jahre ohne große Förderung aus und hat sich den Charme des Liebhaberei bewahrt. Hier macht niemand Karriere.

Weil dieses Jahr das Jubiläum ansteht und einfach weil sich so viel Material angesammelt hat, wird es nicht nur mit einer weiteren Festival-Ausgabe gefeiert, sondern vor allem mit der Compilation »Free­doms Sounds«. Die versammelt auf drei CDs fast 70 Tracks von Musikerinnen und Musikern, die dem Festival auf die ein oder andere Weise verbunden sind. Viele Tracks sind exklusiv für die Compilation entstanden, überhaupt wurde das ganze Projekt in enger Abstimmung mit den Bands und DJs realisiert. Die Stärke der »Freedom Sounds« liegt in ihrer Eigenständigkeit: Es ist keine Festivaldokumentation, auch keine chronologische Musikgeschichte. Die Zusammenstellung der Tracks ist zwanglos und gruppiert sich ­lo­cker um die drei Schlagworte »Diversity«, »Love« und »Unity«. Wenn es ein verbindendes Sound-Element gibt, dann ist es natürlich der Bass — das tiefe Pulsieren, dass ­­für guten Reggae und Dub so charakteristisch ist.


Organisch hat sich über die Jahre ein Festivalkanon ent­wickelt, der die Spu­ren, Mutationen und Wucherungen von Ska weiterverfolgt

Man höre sich — nur ein Beispiel für einen Zugang — den Übergang an von Roy Ellis, dem jamaikanisch-schweizer Roots-Sänger, zum North East Ska Jazz Orchester, das hier in einem Dub-Rahmen ziemlich verfremdet klingt, zu Dread­zone mit einer poppigen Dancefloor(sic!)-Nummer, zu schließlich Denise Sherwood, die den Digital Dub ihres Vaters Adrian (Produzent von On-U Sound und auch schon Festival-Gast) prägnant weiterspinnt und zu einem dunkeln, schweren und kompakten Track singt.

So kann man sich seinen eigenen Weg durch die Stücke bahnen, die allesamt klingen, als wäre die Musik nie aus der Mode gekommen. Aber das ist schon der falsche Ansatz: Es geht ja gar nicht um Zeitgeist, sondern um eine Haltung — auch Lebensgefühl —, die sich in ihrer Geschichte seit den 1960er Jahren be­währt hat: Nonkonformismus. Und zu dem kann man prima tanzen.

Tonträger: »Freedom Sounds« ­(3fach-CD, Bezug über aggroshop.com oder freedomsoundsfestival.de)