Schriftsteller in der Krise: Thomas Schubert © Christian Schulz / Schramm Film

Roter Himmel

Christian Petzold lässt in seinem neuen Film einen Schriftsteller mit sich und den Umständen hadern

»Irgendwas stimmt hier nicht!«, ein programmatischer Satz, mit dem Christian Petzolds neuer Film beginnt. »Roter Himmel« ist ein typischer Petzold-Film, der bekannte Motive variiert und weiterführt, aber auch neue Elemente hinzufügt. Der, der den Satz sagt, heißt Leon, gespielt vom perfekt besetzten Thomas Schubert. Leon ist Schriftsteller, arbeitet gerade an seinem zweiten Buch, das ja besonders schwierig sein soll. Zusammen mit seinem besten Freund Felix ist Leon auf dem Weg zu einem Sommerhaus, irgendwo an der Ostsee. In Ruhe wollen die Freunde dort arbeiten, Leon an seinem Manuskript, Felix an seiner Mappe mit Fotografien, mit der er sich an der Kunsthochschule bewerben will.

Doch im Haus sind sie überraschenderweise nicht allein, Felix’ Mutter hatte vergessen ihnen mitzuteilen, das mit Nadja ein weiterer Gast vor Ort ist. Und während Felix sich problemlos auf die neue Situation einstellt, hadert Leon — was er gerne macht und wofür er wenig Anlass braucht. Ganz um sich und sein Werk kreist Leons Wahrnehmung, während sich um ihn herum Sommerlieben finden und ein Waldbrand bedrohlich nahekommt.

Als zweiten Teil einer Trilogie zur deutschen Romantik will ­Petzold »Roter Himmel« verstanden wissen. Das verbindende Element zu seinem vorherigen Film »Undine« (2020) ist neben der Liebe vor allem Paula Beer, die nach der mysteriösen Undine hier eine viel offenere Figur spielt. Ein som­merlich leichter Humor zieht sich durch den Film, der meist im Freien spielt — im Garten, am Meer. Erst spät breitet sich die Melancholie aus, die man von Petzold kennt. Wie schon in »Transit« (2018) fügt er mittels eines Voiceover ein literarisches Element hinzu. Hier wie da spricht Matthias Brandt den Text, der sich erst neutral beschreibend über die Bilder legt, sie doppelt, dann aber in Nuancen von ihnen abweicht und so eine neue Ebene öffnet.

Am Ende von »Roter Himmel« mag man sich fragen, ob das gerade Gesehene tatsächlich so passiert ist oder ob es der Fantasie des Schriftstellers Leon entsprungen ist. Die Wahrheit liegt am Ende vielleicht dazwischen, vielleicht hat Leon die schönen, tragischen Ereignisse von ein paar Sommertagen, die nun zum Sujet eines Romans geworden sind, in ähnlicher Weise literarisch überhöht, wie es Petzold auf filmische Weise getan hat. 

D 2023, R: Christian Petzold, D: Thomas Schubert, Paula Beer, Matthias Brandt, 103 Min.