Student und Informant: Tawfeek Barhom © Atmo-X Verleih AG

Die Kairo-Verschwörung

Tarik Saleh gelingt ein packender Thriller aus dem Machtzentrum des sunnitischen Islam

Der junge Adam kann sein Glück kaum fassen. Der Sohn eines einfachen Fischers aus einer entlegenen Gegend Ägyptens hat ein Stipendium der renommierten Azhar Universität in Kairo erhalten, dem Zentrum der Macht im sunnitischen Islam. Gerade dort angekommen, bricht der Großimam vor den Augen der Studenten zusammen und stirbt. Es entbrennt ein Kampf um die Nachfolge als Oberhaupt der Uni und damit als höchste Autorität im Islam. Die Todesumstände scheinen dagegen kaum jemanden zu interessieren. Während der Oberste Rat der Gelehrten zusammentrifft, um einen neuen Großimam aus ihren Reihen zu bestimmen, tritt auch die Staatssicherheit auf den Plan.

Ein erfahrener Offizier, Co­lonel Ibrahim, wird beauftragt, ­einen Informanten innerhalb der Azhar zu rekrutieren. So soll sichergestellt werden, dass die Nachfolge den Vorstellungen der Staatsmacht entspricht. Adam wird ausgewählt und aus Angst vor schwerwiegenden Konsequenzen widersetzt sich der Neuankömmling dem Auftrag nicht. Zumal sein Kommilitone, wie er ein Stipendiat aus der Provinz, der den alten Imam ausspioniert hatte, gerade von Maskierten ermordet wurde. Adam taucht tief ein in die inneren Kreise der Universität und beginnt durch die Kollaboration, die Machtstrukturen und das politisch-religiöse System zunehmend zu durchschauen. Und der alte Militär macht den Fehler, den begabten jungen Mann aus einfachen Verhältnissen zu unterschätzen.

Regisseur Tarik Saleh wurde 1972 in Stockholm als Sohn ägyptischer Eltern geboren. Wie zuletzt der ebenfalls in Schweden lebende Ali Abbasi mit »Holy Spider« über einen iranischen Frauenmörder gelingt auch Saleh ein klassisch inszenierter Thriller, der zugleich die gesellschaftspolitische Realität des Landes seiner Vorfahren widerspiegelt. Ein Dreh in der Militärdiktatur wäre unmöglich gewesen, Saleh hat wegen seines Politthrillers »Die Nile Hilton Affäre« über die ägyptische Revolution von 2011 Einreiseverbot. Statt in Kairo ist sein neuer Film in Istanbul und anderen Teilen der Türkei entstanden. Die migrantische Halbdistanz erweist sich dabei als Gewinn für diese kenntnisreiche und zugleich kritisch sezierende Innenperspektive des ägyptischen Alltags zwischen Willkür und Korruption. Militärstaat und Klerus erweisen sich dabei als ebenbürtig perfide und menschenverachtend.

(Boy from Heaven) SW/F/FIN 2022, R: Tarik Saleh, D: Tawfeek Barhom, Fares Fares, Mohammad Bakri, 126 Min.