Sucht die Bäume von morgen: Förster Michael Hundt im Kölner »Waldlabor«

»Das ist wie Investmentbanking«

Stadt-Förster Michael Hundt über das Kölner »Waldlabor«, stressresistente Bäume und das Erbe seiner Vorgänger

Herr Hundt, Sie verantworten das »Waldlabor« in Junkersdorf. Was wird dort erforscht?

Die Grundidee ist, zu testen, wie der urbane Wald der Zukunft aussehen kann. Das ist auf bestehenden Waldflächen kaum möglich. Dafür muss man Wald auf die grüne Wiese setzen.

Seit Jahren spricht man vom Waldsterben. Welche Rolle spielen die Klimafolgen?

Das Waldlabor hat vier Hauptbestandteile: den Bürgerwald, der Erholungsaspekten dient, den Energiewald, in dem Holz zur Energiegewinnung erforscht wird, den Wildniswald und den Klimawald. Im Klimawald haben wir sechs Baumarten jeweils in einem Waldbestand zusammengepflanzt, um herauszufinden, wie sich Arten entwickeln, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit, Hitze oder Schädlinge sind.

Das sind fremdländische Arten?

Auch heimische, aber in einem Reinbestand, wie er in der Natur nicht vorkommt. Aber auch exotische Baumarten, die Aspekte der Klimaanpassung erfüllen.

Sie suchen nach dem Baum, der die heimischen Wälder retten kann.

Ich sträube mich, eine Baum­art zum Heilsbringer zu erklären. Es gibt eine Reihe Arten, die noch recht große Widerstandsfähigkeit zeigen: Linde, Spitzahorn, auch Eichen. In einer globalisierten Welt kann es aber jeder Baumart passieren, dass plötzlich Schadorganismen wie Pilze auftreten.

Wie soll man Wälder vor Gefahren schützen, die man nicht kennt?

In der Forstwirtschaft ist es wie im Investmentbanking: Man muss das Risiko streuen. Je mehr Baumarten man im Portfolio hat, desto geringer ist das Risiko eines Totalverlusts. Deswegen ist Arten­reichtum unser oberstes Ziel. Wir ­würden niemals auf Monokulturen setzen. Mischbestände sind widerstandsfähiger.

Braucht der Wald die Hilfe des Menschen?

Im Wildniswald haben wir eine Fläche brachliegen lassen, um zu sehen, wie sie sich natürlich bewaldet. Dort ist ein dichter, artenreicher Wald entstanden. Die natürliche Waldentwicklung wird vielfach unterschätzt. Der Mensch sollte sich nicht einbilden, dass er es grundsätzlich besser kann als die Natur, auch nicht der Förster. Bei Schäden durch den Klimawandel findet das Ökosystem immer noch Reaktionen — zumindest arten­reiche Mischwälder.

Warum haben die Wälder trotzdem Probleme?

Weil der Klimawandel schneller kommt, als langlebige Wesen wie Bäume darauf reagieren können. Deswegen können wir nicht darauf verzichten, unter eine natürliche Waldverjüngung nicht-heimische, aber standortgerechte Bäume zu mischen. Mehr Baumarten in der Fläche erhöhen die Sicherheit für den Gesamtbestand.

Und das hat man früher versäumt?

Die Fichte ist zum Beispiel vielfach in Bereiche gepflanzt worden, wo die Bedingungen nicht optimal waren. Die Böden waren nicht tiefgründig genug, es war zu trocken und zu warm. Das ist trotzdem 50, 60 Jahre gutgegangen, in denen man mit Fichtenwirtschaft gutes Geld verdienen konnte. Irgendwann ist die Blase geplatzt. Da sind wir wieder beim Investmentbanking.

Wie steht es um den Kölner Wald?

Einerseits ist es schlechter geworden, andererseits nicht so schlimm wie im Sauerland oder in der Eifel. Wir hatten vor den massiven Waldschäden einen Fichten-Anteil von vier Prozent. Wenn von hundert Bäumen vier ausfallen, merkt man das nicht. Man muss vorangegangen Generationen von Kölner Förstern zu Gute halten, dass sie großen Wert auf Vielfalt gelegt haben. So haben wir heute zwar Schäden, aber kein Absterben ganzer Waldbestände.

Sie haben den Wald in Köln nicht aufgegeben?

Wir versuchen, mit den Folgen des Klimawandels klarzukommen. Wichtiger ist aber, den Klimawandel zu begrenzen. Die Klimazonen verschieben sich. In den subtropischen Gebieten in Europa wird es trockener. Das führt schrittweise zur Entwaldung. Davon sind wir im noch gemäßigten Klima weit entfernt. Aber niemand kann sagen, wie warm und trocken es wird. Wir müssen an den Ursachen ansetzen, nicht die Symptome kurieren.

Führung durch das Waldlabor: Di 9.5., 17 Uhr, Waldlabor an der Ecke Bachemer Landstraße/Stüttgenweg. Teilnahme kostenlos, Anmeldung nicht erforderlich

www.koeln-waldlabor.de