Zwei Sterne, und trotzdem gehen hier bald die Lichter aus — Le Moissonnier an der Krefelder Straße

Auch Iris Berben ist traurig

Nachrufe und Ernüchterung überwiegen rund um die Sterne-Verleihung in Köln

Ein Beben ging durch die Kölner Spitzengastronomie, noch bevor der Guide Michelin am 4. April seine Sterne vergab. Wenige Tage zuvor gab Vincent Moissonnier bekannt, sein gleichnamiges Restaurant an der Krefelder Straße zum August zu schließen. Vor 36 Jahren hatten er und seine Frau Liliane das heutige Gourmet-Restaurant zunächst als Weinstube eröffnet. Zehn Jahre später, im Jahr 1997, gab es für die mittlerweile herausragende Küche den ersten Michelin-Stern, 2007 folgte der zweite, den man auch in diesem Jahr verteidigte. Lange galt das Moissonnier als Gipfel der Kölner Gastronomie. Auch nach der Jahrtausendwende, als die Kölner Spit­zen­­gastronomie eine Krise durchlebte.

Küchenchef Eric Menchon, von Beginn an dabei, hatte eine markante kulinarische Handschrift entwickelt, indem er den Geschmack seiner Kindheit, geprägt von südfranzösischer Landküche und nordafrikanischen Speisen, für oft kleinteilige, aroma­tisch unter Spannung stehende  Arrangements nutzte. Doch das Moissonnier ist auch das letzte alteingesessene französische Restaurant in Köln, in dem Haute ­cuisine in legerer Atmo­sphäre ­serviert wird. Im nostalgischen Art-deco-Interieur gehörten routinierter und zugleich nonchalanter Service stets zusammen. Der Erfolg rührte eben auch daher, dass man das Klischee von Spitzen­küche in steifer Atmosphä­re nie mit dem Moissonnier in ­Verbindung bringen konnte.

Die Reaktionen auf das Aus waren beachtlich. Die IG Kölner Gastro schrieb von »bestürzenden Neuigkeiten«. In der Tagespresse schwelg­­ten Gäste in Erinnerungen, auch Promis reihten sich mit viel Pathos ein: »Dass er aufhört, lässt uns in tiefer Schwermut zurück«, sagte Iris Berben dem Kölner Stadt-Anzeiger. Sie sei fassungslos. Die Reaktionen klangen wie ein Nachruf. Es schien um mehr zu gehen als um einen gastronomischen Be­trieb, der herausragende Küche zu entsprechenden Preisen anbietet.

Die Moissonniers gingen nicht still und leise. Von ihrer PR-Agentur ließen sie eine persönliche Rückschau verbreiten, die manche Spitze bereithielt. »Die Generation, die jetzt ein Restaurant eröffnet, die strebt gar nicht danach, eine Institution zu sein«, ließ sich Liliane Moissonnier zitieren. »Die sind nicht so verbissen auf Qualität, wie wir das immer waren.« Und ihr Mann sagt: »Die jüngere Generation möchte und wird nicht mehr so arbeiten wie wir. Und ich kann gar nicht so arbeiten wie sie, also nur vier Tage in der Woche geöffnet mit nur einem Menü und nur am Abend. Ich bin mit einer anderen Arbeitsethik groß geworden.« Vincent Moissonnier beklagte zudem mangelnde Wertschätzung und nutzte seinen Abschied vom eigenen Restaurant zugleich, um auf neue berufliche Projekte aufmerksam zu machen. Man werde neue Wege gehen. Welche, verrate man nicht. Ach ja, und ein Buch zur Geschichte des Moissonnier soll man bald auch kaufen können.

Man kann diesen wuchtigen Abgang auch als nächsten Schritt einer Wachablösung begreifen. Längst hat sich in Köln eine neue Riege Sterneköche etabliert. Sie sind jung, häufiger weiblich. Manche spielen in ihrer Freizeit Schlag­zeug, andere treten im Morgen­magazin auf. Sie müssen Ansprüchen gerecht werden, mit denen sich die Moissonniers in der alten Zeit nicht auseinandersetzen mussten: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Personalmangel, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit 16-Stunden-Tagen prahlen junge Küchenchefs nicht mehr.

Dazu passte die Vergabe der diesjährigen Michelin-Sterne an Kölner Restaurants. Zwar war es  ernüchternd, weil Anwärter wie Prunier, Ito oder Rays leer aus­gingen. Doch die Sterne-Riege ­verjüngt sich: Die 34-jährige Julia Komp erhielt mit ihrem Sahila einen Stern, während Erhard Schäfer, Jahrgang 1959, seinen im Maître nach vielen Jahren verlor. Man kann hier zudem auch einen kulinarischen und habituellen Wandel erkennen: Schäfer, dessen Lebenswerk stets mit Köln verbunden ist und auf der französischen Klassik fußt, wurde herabgestuft. Komp hingegen, die für sich »Frauenpower« in Anspruch nimmt und ihr Wirken social-medial flankiert, erhielt mit globalisierter Crossover-Kulinarik ­jenen Stern zurück, den sie schon 2016 als jüngste ­Köchin Deutschlands für das sehr traditionelle Restaurant Schloss Loersfeld nach Kerpen holte, bevor sie auf Weltreise ging.