Party in the U.S.A.: Annegret Perel Fiedler; © Will Azcona

Die vielen Facetten nach dem Wechsel des Kontinents

Annegret Perel Fiedler ist eine schillernde Persönlichkeit in der häufig so spießigen Techno-Welt. Ein Interview

Annegret, du lebst seit Beginn der Pandemie in New York. Wie hat sich dieser Kontinentwechsel auf deine Karriere ausgewirkt?

Ich habe mir dazu, ehrlich gesagt, nicht so viele Gedanken gemacht, da ich meinem Herzen gefolgt bin: Mein Partner ist Amerikaner. Ursprünglich wollte ich noch eine Wohnung in Berlin behalten, da ich in Europa populärer war und es leichter gewesen wäre von Berlin aus zu touren. Dann kam aber schon die Pandemie dazwischen. Während der Pandemie bin ich in den USA bekannter geworden, so dass ich mittlerweile beide Märkte gut bespielen kann.

Viele amerikanische DJs und Produzent:innen gehen gerade den anderen Weg, da sie in Europa ihren Hauptmarkt sehen. Sie ziehen nach Berlin, Amsterdam oder Paris.

In Europa ist es einfach, einen Gig auch recht spontan anzunehmen; die Flug- und Zugdistanzen sind so kurz. Ich musste aber feststellen, dass das Hin-und-Her-Gefliege nicht nachhaltig ist für meine Gesundheit. Die Pandemie hat mir bewusst gemacht, dass ich im Herzen Musikerin bin, die zwar gerne auflegt, aber meine Musikprojekte kamen dadurch leider oft zu kurz. Das DJing hat mir am Anfang ermöglicht, Musik zu machen. Nun aber lege ich den Fokus mehr auf die Produktion, das schulde ich meiner Musik. Der USA-Aufenthalt hat mir insofern geholfen, die Balance zwischen den beiden Feldern zu finden.

Wirst du in der amerikanischen Szene als deutsches Kuriosum wahrgenommen?

Natürlich komme ich aus Europa, bin Deutsche — und werde auch so vermarktet. Da spielt es keine Rolle, dass ich vor drei Jahren in die USA gezogen bin. Man muss selbst mal in den USA gewesen sein, um die dortige Szene so richtig einordnen zu können. Danach sieht man den zentralen Mittelpunkt gar nicht mehr in Europa. Es gibt so viele spannende Künstler:innen in allen Ecken der USA, wo man nicht mal eine Szene vermuten würde. Ich habe neulich in Jackson, Wyoming, gespielt, das ist da, wo der Yellowstone-Nationalpark liegt. Das ist eine Community von gerade mal 10.000 Leuten, aber die haben meine DFA- und Kompakt-Platten dort stehen, eine eigene Radiostation, die kaufen Tickets, gehen zu Konzerten, die sind sogar nach New York für einen Auftritt von mir gekommen. Das Land ist viel diverser als man denkt.

Dein Album »Hermetica« ist geprägt von deiner New Wave-, Synthie Pop- und auch NDW-Sozialisation. Wie …

Sorry, da muss ich dich unterbrechen: Das ist nicht meine Sozialisation. Ich bin einfach nach meinem Bauchgefühl gegangen. Meine Musiksozialisation hat so viele Facetten, genauso wie das Album: House, Experimentelle Musik. Die Leute klammern sich immer an »Alles« und »Die Dimension« fest. Das sind zwei Songs, die New-Wavig sind, das ist richtig. Das sind Einflüsse von 2005, 2006, als ich das erste Mal in eine Musikrichtung gedriftet bin, die nichts mit »Kindergeschmack« zu tun hat. Aber was alles andere angeht, da lass ich mich auf keine Diskussionen ein.

Dein Debüt erschien noch bei DFA Records, danach bist du trotz deines New Yorker Standbeins zum Kölner Label Kompakt gewechselt — mit einem Album, das du bereits für DFA produziert hattest. Den Ausschlag gab, neben dem dich umwerbenden Kompakt-A&R, vor allem die mutmaßlich unschöne Zahlungs­moral im Hause DFA, wie du Tim Sweeney in seiner Radioshow »Beats in Space« verraten hast. War das für dich ein schwieriger Schritt eingedenk der Tat­sache, dass DFA in den USA ein ­household name ist? Hat der Schritt in die Öffentlichkeit wenigstens für einen Eingang der Tantiemen gesorgt?

Ich will gar nicht so sehr darauf eingehen: Das war für mich sehr emotional, hat mich viel Kraft gekostet, gehört nun aber der Vergangenheit an. Ich bin total cool mit DFA, das Label und James Murphy haben damals Entscheidungen getroffen, die zu Ungunsten der Künstler:innen ausgefallen sind. Das war sehr schade. Es fühlte sich für mich so schlimm an damals, da ich ein Album für DFA produziert hatte und nicht wusste, was damit passiert. Da war ich sehr dankbar, dass Kompakt mich sozusagen als Waisenkind aufgenommen hat und meiner Musik ein Zuhause bot. Aber ich bin nach wie vor ein Mitglied der DFA-Familie. Wir sind im Austausch. Ich weiß nicht, was mit dem Label aktiv passiert. Sie machen zwar Partys, ich würde mir jedoch wünschen, dass es auch mit den Produktionen weitergeht. Es ist ein Meilen­stein-Label.

Gibt es ein oder mehrere role models, ohne die Perel nicht existieren würde?

Da habe ich schon zwei Künstler:innen, die für mich sehr wichtig sind: Björk und Honey Dijon. Es ist krass, wie sich Honey Dijon über Jahre treu geblieben ist und dabei ihren Weg gefunden hat. Sie hat sich vom Jugend-Hype nicht mitreißen lassen, hat ihren eigenen Karriererhythmus gefunden. Du kannst deine Karriere auch mit 40, 50 oder 60 starten. Für mich eine absolute Ikone. Und Björk, da muss man nichts groß zu sagen, oder? Die Göttin!

Das sind zwei Künstlerinnen, die ihr öffentliches Image von Anfang an selbst kontrolliert haben. Nun leben wir in einer Zeit, wo Instagram so wichtig geworden ist. Du bist eine Künstlerin, die gut und gerne das Instagram-Game spielt — so scheint es zumindest. Auch um dein Image zu kontrollieren?

Ja, sicherlich. Wobei ich auch mal zwei, drei Monate gar nichts gepostet habe, weil ich einen Detox gebraucht habe. Perel ist ja auch eine Kunstfigur, sonst würde ich ja als Annegret Fiedler auftreten.  Dennoch: Am Ende ist es eine Illusion zu denken, man könne es selbst bestimmen — sobald es hochgeladen ist, ist es da: Das ist nun mal das Internet. Deswegen würde ich nie zu viel Privates posten. Wenn ich mir andre Kanäle anschaue, bin ich oft schockiert, wie hasserfüllt die Leute drunterposten.

Empfindest du dich explizit als feministische Künstlerin?

Das ist für mich ein komischer Ausdruck. Feminismus bedeutet, dass jede/r die gleichen Chancen hat, unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Das sollten wir doch alle teilen. Das ist ein Grundwert, oder?

Annegret Perel Fiedler
In den 1980ern in Thalheim im Erzgebirge geboren, gehört die Produzentin zu den Ausnahmegestalten des internationalen DJ-Zirkus. Mit ihrem famosen Debüt »Hermetic«, erschienen auf dem New Yorker Label DFA, besetzte sie eine Leerstelle im Clubuniversum. Die New Yorkerin veröffentlichte 2022 bei Kompakt ihr bis dato letztes Album: »Jesus was an Alien«