Ungleiche Nachbarn: Amer Hlehel, Ashraf Farah

Mediterranean Fever

Maha Haj verhandelt in ihrem Buddy-Movie subtil den Nahostkonflikt

Am Rande und im Hintergrund ist der Nahost-Konflikt in »Mediterranean Fever« stets präsent. Dafür sorgen nicht zuletzt die Berichte eines Nachrichtensenders, die über den TV-Schirm flimmern, wenn Protagonist Waleed allein in seinem Zuhause in Haifa ist. Auch bei Alltagsgeschäften wird der arabische Israeli mit dem Konflikt konfrontiert: Als sein kränkelnder Sohn einen Bluttest braucht, erfordert die Bürokratie die Beantwortung der diskriminierenden Frage nach der Religionszugehörigkeit.

Für Waleeds Pragmatismus — und für die Ironie der Drehbuchautorin und Regisseurin Maha Haj — spricht, dass er auch am Küchen­tisch Hebräisch redet, wenn der Sohn etwas nicht mitbekommen soll. Die Begegnung mit einer ­Ärztin, die beharrlich die einzige Amts­sprache Israels benutzt, während ihr kleiner Patient auf Arabisch antwortet, bleibt allerdings der einzige Kontakt Waleeds zur jüdischen Mehrheits­bevölkerung.

Die Subjektivität der Erzählperspektive betont die 1970 in Nazareth geborene Haj, indem sie ihren zweiten Spielfilm mit einer makabren Traumszene beginnt. Im Dialog mit einer Psychotherapeutin bestätigt sich bald der Verdacht, dass der antriebsarme Waleed, der seinen Bankjob aufgegeben hat, um Schriftsteller zu werden, schwer depressiv ist — was die Filmemacherin in Interviews auf eigene Erfahrungen bezieht. Seine Kauzigkeit wird darüber hinaus durch den Kontrast zu seinem neuen, aufreizend unbekümmerten Nachbarn Jalal unterstrichen.

Vordergründig entwickelt sich der Film zu einem Buddy-Movie, der auch dann noch die Innerlichkeit der beiden Hauptfiguren bespiegelt, wenn Jalals Probleme mit zwei Ganoven die Wandlung in einen launigen Film noir implizieren. Doch das mäandernde Geschehen erhält einen zusätzlichen Resonanzboden: Eine elegische Montage von Bildern verrammelter Häuser aus dem alten, palästinensischen Haifa bezieht die individuellen Befindlichkeiten abschließend auf den politischen und gesellschaftlichen Kontext. Nun lässt sich nachvollziehen, wie beiläufig und hintergründig Haj ihr eigentliches Thema anhand vermeintlicher Nebensachen entwickelt hat: etwa am Beispiel des unbestimmten Unbehagens, das mehrere der Figuren in ihren schmucken Wohnungen empfinden, in deren gedämpftem Licht stets subtil Schwermut mitschwingt. 

D/PS/F/ZYP 2022, R: Maha Haj, D: Amer Hlehel, Ashraf Farah, Anat Hadid, 108 Min. Start: 4.5.