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Der Verbrecher Verlag legt sein »Kölnbuch« vor

Köln sells: Bücher über die Domstadt können sich in der Regel auf einen gewissen Mindestabsatz verlassen, der ein sicheres Indiz dafür ist, dass der Kölner an sich stolz auf seine Stadt ist und daher alles, was diese Ansicht perpetuiert, gerne fördert. Womit wir auch schon bei einem der vielen Klischees wären, die über Köln im Umlauf sind.

Autoren mit Kölnerfahrung berichten

Sie werden auch im »Kölnbuch« thematisiert, der neuesten Veröffentlichung in der Stadtbuch-Reihe des Berliner Verbrecherverlages, dessen AutorInnen natürlich Kölnerfahrung haben und zum großen Teil als Redakteure, Ex-Redakteure, Autoren mit der StadtRevue zu tun haben. Gleich im ersten Beitrag titelt Sonja Eismann »Die Gemeinschaft der glücklichen KölnerInnen« und nimmt sich aus kritischer Immi-Sicht dieses in Deutschland wahrscheinlich einzigartigen Beispiels für ungebrochenen Lokalpatriotismus an. Das ist ein mutiger Start für ein Buch, dessen Käufer vielleicht in erster Linie Affirmatives erwarten, und am Ende muss sich die Autorin selbst ein wenig vor den wütenden Reaktionen glücklicher Kölnerinnen gefürchtet haben – und appelliert an die »uferlose Jovialität der KölnerInnen, die zwar nicht verstehen können, wie man ihre Heimat dissen kann, die mir aber trotzdem verzeihen werden. Hoffe ich.«

Kölsch, Karneval, Klüngel

Alles halb so schlimm also: Mit einem Schuss Ironie lässt sich der Kölner auch mal etwas sagen, was er eigentlich nicht hören will. Vielleicht ist aber gerade diese Ironie ein sicheres Zeichen für die Infektion mit dem Köln-Virus? Bei der Lektüre des »Kölnbuchs« kann leicht dieser Eindruck entstehen. Immer wieder wird eines der vielen Köln-Klischees angeführt – Kölsch, Karneval, Klüngel – um dann ... ja was eigentlich? Viel zu oft erschöpfen sich die Beiträge in einem argumentativen Zirkelschluss: Das ist zwar ein Klischee, aber irgendwie stimmt es auch. Erhellendes zum Karneval trägt so nur Jörg-Uwe Albig bei, der in seinem Text das Rosenmontagstreiben kurzerhand als buddhistische Praxis nach Bhagwan-Art umdeutet. Weiterhin lesenswert sind die Beiträge, die sich ansonsten eher vernachlässigten Kölner Themen widmen, etwa Felix Klopoteks Würdigung des autonomen Sozialisten Ludwig August Jacobsen oder Julia Anspachs Text über jüdische Heimkehrer, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg zwar »zu Hause fremd« fühlen, aber trotzdem Köln nicht ein zweites Mal verlassen wollen.
Was schließlich die unleidliche, aber nicht tot zu kriegende Köln-oder-Berlin-Debatte angeht, soll hier Clara Drechsler das letzte Wort haben: »Ja, kommt doch bitte alle wieder zurück nach Köln und macht hier was ANDERES, als alle nach Berlin zu ziehen und da DASSELBE WIE IMMER zu machen.«

Kölnbuch. Herausgegeben von
Claudia Honecker und Jörg Sundermeier,
Verbrecher Verlag, Berlin 2005, 240 S., 13 Euro.