The kids are alright

Unter Catharina Fillers spielt Ömmes und Oimel

Kindertheater auf höchstem Niveau

Sie hört diese Frage nicht so gern, das merkt man. Zu oft ist Catharina Fillers, Leiterin des Theater Ömmes und Oimel, mit weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber dem Kindertheater konfrontiert worden, um nicht wieder Kurzsichtigkeit zu wittern, wenn sie nach dem Unterschied zum Erwachsenentheater gefragt wird. Nach etwas Zögern und Nachdenken spricht sie aber doch über ihre Vorstellungen und Erfahrungen mit Theater für die Kleineren und Jüngeren – und nennt eigentlich nur Dinge, die das »ernsthafte« Theater der Großen steif, trocken und belanglos erscheinen lassen. Während dieses sich allerorten kultiviert oder zumindest intellektualisiert gibt, kann Kindertheater im besten Fall ein gelebtes Theater sein.

Kinderwelten genau wahrnehmen

Spürbar ist das spätestens in der Vorstellung: Kinder sitzen eben nicht still und stumm bis zum Schluss des Stückes. Es geht um einen Austausch ohne Umwege. Fillers will die Erfahrungen, Wünsche und Ängste der jungen Zuschauer aufspüren: »Wir kennen unser Publikum besser und nehmen die Lebenswelt von Kindern sehr genau wahr.«
Das fängt damit an, dass die Stücke ganz pragmatisch nach Alterstufen geordnet werden: ab 4, ab 6, ab 8 usw. Eine Einteilung, die sich nicht einfach nur danach richtet, wie viel Komplexität man den Kindern jeweils zumuten kann, sondern auch danach, was diese in welchem Alter heutzutage beschäftigt. Für Catharina Fillers, die nach einem Regie- und Schauspielstudium als Regisseurin am Dresdener Theater »Junge Genaration« arbeitete, bevor sie 2002 künstlerische Leiterin von Ömmes und Oimel wurde, ist es der noch relativ unverstellte, nicht rational vergleichende Blick, den sie an ihrem jungen Publikum so schätzt.

Brecht wäre begeistert gewesen

Ihre Lieblingszielgruppe ist die ab 6, sagt sie, »denn die sind am anarchistischsten, mit denen kann man alles auf den Kopf stellen, und deshalb hat man als Regisseur die meisten ästhetischen Möglichkeiten, die größten Freiheiten«. Und räumt gleich ein weiteres Vorurteil aus, das sich seit den sozialpädagogisch bewegten 70er Jahren hält: Dass wertvolle Kinderstücke immer ein pädagogisches Ziel haben müssen. Gute Stücke, wie etwa Andri Beyelers »Wie Ida einen Schatz versteckt« oder »The killer in me is the killer in you my love«, liefern nicht Antworten für die, die noch nicht genug verstehen, sondern sind offene Auseinandersetzungen mit einem Thema. Weshalb der Theaterbesuch etwa für Schulklassen nicht nur im passiven Zuschauen besteht, sondern oft von Diskussionen, Improvisationen und spielerischen Übungen rund um das Stück begleitet wird. Lernen für die Gesellschaft durch szenisches Spiel, Brecht wäre begeistert gewesen.

Gesehenes einfach weglachen

Als ihr bisher größtes Wagnis sieht Fillers Jon Fosses »Lila«. Ein Jugendstück, das wie alle Werke des Norwegers, sehr einsilbig, sehr karg daherkommt und ohne jeden Optimismus zeigt, wie sich ein pubertierender Junge in seine trotzige Schüchternheit verstrickt, Frust und Aggressionen aufbaut. »Es hat kaum Handlung, aber einen absoluten Blick ins Innere der Figuren, der fast gar nicht auf der Bühne stattfindet, sondern eigentlich im Publikum.« Das Stück sagt den jungen Zuschauern nicht: »Versuch’s doch mal so zu machen, wie die auf der Bühne« oder »Lach doch mal über dich selbst«, sondern zeigt einfach nur sehr trocken einen Konflikt aus Angst und verletztem Stolz. Während der Aufführung reagieren die Jugendlichen auf so eine Zumutung schon mal, indem sie das Gesehene weglachen. Das, meint Fillers, sei hart für die Schauspieler, aber auch ein Zeichen, dass sich die Zuschauenden herausgefordert fühlten, dass etwas in ihnen vor sich gehe. Am schönsten aber sei es natürlich, wie es ein Kollege bei Proben einst auf den Punkt gebracht habe, »wenn sie vergessen, dass sie es eigentlich Scheiße finden wollten.«

Lobbyarbeit für Ömmes und Oimel

Solche Erfolgsmomente sind hart erarbeitet, nicht nur mit der Inszenierung und den Proben, sondern auch durch mühsame Lobbyarbeit. Siebzig bis achtzig Prozent der Vorstellungen von Ömmes und Oimel können nur dadurch gefüllt werden, dass der Kontakt zu Lehrern und Erziehern gepflegt wird. Da aber auch die Unterrichtsplanung dem zunehmenden Rationalisierungs- und Effizienzzwang der letzten Jahre unterliegt, wird in den Schulen immer weniger Zeit für einen Theaterbesuch eingeräumt. Immerhin ist es die Comedia mit ihrem Herzstück, dem Kinder- und Jugendtheater, das von der Stadt den größten Förderbetrag der freien Kölner Theater erhält. Der auch überregional gute Ruf von Ömmes rechtfertigt diese Zuteilung. Der städtische Zuschuss deckt allerdings nicht einmal ein Fünftel des Finanzbedarfs. Den Rest erwirtschaftet man sich über ein prominentes Kabarettprogramm und das immer beliebtere Schauspieltraining.

Fortsetzung des Projekts

Mit dem für 2007 angesetzten Umzug in das Haus der ehemaligen Feuerwache Süd in der Vondelstraße, das eigens dafür umgebaut wird, sind die Aussichten aber gut für die Fortsetzung von Catharina Fillers großem Projekt: dem Kindertheater die gleiche gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen, wie dem der Erwachsenen – als Teil einer eigenen Kultur der Kinder.



Aktuelle Inszenierungen:
»The killer in me is the killer...«
von Andri Beyeler, R: Catharina Fillers, Comedia, 13., 20 Uhr, 14.2., 10.30, 20 Uhr
»Zwei Monster« von Gertrud Pigor,
ab 4 J., R: Catharina Fillers, Comedia,
27., 10.30 Uhr, 29.1., 15 Uhr; 16., 10.30 Uhr, 18., 14.30 Uhr, 19.2, 15 Uhr
»Moby Dick« nach H. Melville, ab 10 J., R: Rüdiger Pape, Comedia, 25., 26.1., 10.30 Uhr