Scheiße Schrill

Schon in den 70er und 80er jahren wurde in Köln ekstatisch gefeiert

Wo alles anfing, darüber herrscht unter Zeitzeugen weitgehende Einigkeit: Lovers Club heißt der sagenumwobene Kellerschuppen am Hohenzollernring 97. 1967 übernimmt Hans Sauer den ehemaligen Jazzclub Tabu und eröffnet die erste richtige Kölner Diskothek. Schon 1973 muss der Laden wegen Drogen dicht machen, sein Mythos wird aber noch heute via Fanseiten und Revival-Partys am Leben erhalten. Auf www.lovers-club.de beschreibt der Journalist und Szenekenner Wolfgang Linneweber den Laden als »Schmelztiegel der damals noch nicht separierten Kölner Szenen aus Künstlern, Nutten, Schwulen, Hippies und Halbwelttypen. Zu den Gästen gehörten illustre Figuren wie Udo Kier, Günter Netzer und Jürgen Zeltinger«. Der Lovers Club lebt vor allem durch die Exklusivität seiner Musik – brandheißes Vinyl, von den DJs direkt aus London importiert: Captain Beefheart, Miles Davis, King Crimson und andere Legenden zwischen Funk, Soul, Jazz und Psychedelic Rock.

Man traf dort jeden

Beinahe zeitgleich wird 1968 ein Urgestein studentischer Feierkultur geschaffen: Das Ding. Während sich dort heute BWL-StudentInnen auf Baggerkurs drängen, ist Das Ding in seinen Anfangsjahren konkurrenzlos. Als »absolut geilen Tanzschuppen« beschreibt StadtRevue-Fotoredakteur Manfred Wegener, seit 1971 leidenschaftlicher Kölner Diskotänzer, den Laden: »Man traf dort jeden, es herrschte eine angenehme Atmosphäre. Die Musik war eine Mischung aus Ohrwürmern und Sachen, die nicht ganz so hitparadenorientiert waren.«

Muffige Kneipen, New-Waver und Blue Shell

In den 70er Jahren werden im Zuge des »Saturday Night Fevers« erste Großraumdiskos (Morokko, Colombo, Kreml) entlang der Ringe eröffnet, doch die politisch bewegte, studentische Subkultur hält wenig vom Tanzen. Stattdessen werden die Nächte in muffigen Südstadtkneipen durchdiskutiert. Bewegung kommt Ende der 70er mit dem Beginn der Punk- und Wave-Ära ins Spiel. Während im Between ab 1977 Alt-Hippies und New-Waver noch zu gleichen Teilen mit Steppenwolf und Human League bedient werden, findet die Szene mit dem 1979 eröffneten Blue Shell ihr Zuhause. Rolf Kistenich, der aktuelle Betreiber des Shells, erinnert sich: »Teddyboys, Rocker und Punks fühlten sich gleichermaßen wohl im Shell, das war total irre. Entsprechend rund ging es dann auch zu später Stunde und mit steigendem Alkoholpegel.«

Punkrockiger Kachelsaal im Stollwerck

Im Verlauf der frühen 80er Jahre versuchen immer wieder einzelne Neueröffnungen Alternativen zum Blue Shell zu bieten, die meisten können sich nicht länger als ein paar Monate halten. Zu den sagenumwobensten Läden zählen der unerbittlich punkrockige Kachelsaal im besetzten Stollwerck (Wegener: »Klitschnasse Wände, scheißschriller Sound, Sägespäne auf dem Boden, weil sonst die Leute reihenweise auf die Fresse geflogen wären.«) und der 1985 eröffnete Gaz Club, wo zum ersten Mal aggressiver, tanzbarer Elektropop (EBM = Electronic Body Music) aufgelegt wird.

Northern Soul und Mod-Kultur

Club- und DJ-Kultur im heutigen Sinne entwickelt sich in Köln erst Mitte der 80er Jahre. Im Alten Wartesaal und später im Stadtgarten veranstaltet eine Gruppe von Spex-Autoren, unter ihnen Olaf Karnik und Gerald Hündgen, den »Soulful Shack«. Fünf DJs pro Abend spielen ausschließlich Soul, jeder aber mit unterschiedlichen Akzenten. Man orientiert sich stark an englischen Vorbildern, an Northern Soul und der Mod-Kultur. Die Reihe wird zum Renner. »Damals haben wir ganz neue Zielgruppen als Tänzer erschlossen«, weiß Karnik.

Rare Grooves und abzappeln in alten Fabriken

Mit der Diversifizierung popmusikalischer Strömungen entstehen Ende der 80er neue Clubs mit Spartenprogramm. Im dp42 wird vor allem HipHop und Rare Groove aufgelegt, während im Rave Club zu Acid House gezappelt wird. Gleichzeitig finden in den alten Fabriken der Randbezirke die ersten großen Technopartys statt.

Elektronisch-intellektuelle Metropole

Der Grundstein für eine reichhaltige, sich immer weiter verästelnde Kölner Clubkultur ist gelegt. Künstlernetzwerke wie Kompakt oder a-Musik etablieren sich schnell und tragen dazu bei, dass sich Köln im Laufe der 90er Jahre zur ruhmreichen Metropole der elektronisch-intellektuellen Tanzmusik entwickelt.


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