40 Jahre StadtRevue

Vom Sprachrohr der Bewegung zum unabhängigen Journalismus. Die StadtRevue wird 40 Jahre und bereut nichts

Ein bisschen seien wir ja alle selbstständige Unternehmer, meinte kürzlich eine Kollegin, als wir die routinemäßige Versammlung aller StadtRevue-Mitarbeiter vorbereiteten. Das ist ein Satz, der — wie sagt man im Rheinland? — »an und für sich« allen Kollegen das Blut in den Adern gefrieren lassen müsste. Die StadtRevue ist ein Kollektiv: Der Verlag befindet sich im Besitz der Mitarbeiter und ist seit vierzig Jahren in der Kölner Alternativszene verwurzelt. Wie können wir nur von uns als selbstständige Unternehmer reden?

 

Dabei ist an der Aussage durchaus etwas dran: Wir machen bis auf den Druck tatsächlich alles selbst. Es gibt keinen Herausgeber, keinen Chefredakteur, keine Investoren, niemanden, der Rendite sehen will, niemanden, der eine Generallinie verfolgt, niemanden, der Karriere machen will. Oder es auch nur könnte: Denn wir zahlen uns immer noch einen Einheitslohn aus. Was das Angestelltendasein als »verhaltensstabilisierende Regeln und Maßnahmen« kennt, fällt bei uns weg. Wo keine Hierarchien Halt geben, ist jeder aufgefordert »unternehmerisch« zu handeln. Mehr Verantwortung bedeutet für uns mehr Freiheit. Mittlerweile schreiben wir auch die meisten Texte selbst. Das klingt lustig, weil man das doch von Journalisten erwartet, dass sie Artikel schreiben. Aber wer sagt denn, dass bei uns die Redakteure Journalisten sein müssen?

 

Das war nämlich bei der Gründung der StadtRevue vor vierzig Jahren überhaupt nicht ihre Rolle. Man muss sich die frühe StadtRevue wie ein geheimnisvolles Aggregat vorstellen: Vorne kommt Input rein, hinten soll Politik rauskommen (und auch ein bisschen Kultur). Input — das sind Flugblätter der Initiativen, Protokolle aus Vollversammlungen in besetzten Häuser, Bekennerschreiben und Szenetalk. Außerdem werden die Großtheorien der Linken behandelt, es gibt Essays von E.P. Thompson, Hans-Peter Duerr, Günther Anders oder André Gorz. Die Redakteure müssen daraus einen Stoff verfertigen, der — als Output — den politischen Kampf befeuern soll.

 

Was das genau heißt und wie das geht: Stoff verfertigen — das war heiß umstritten, Gegenstand etlicher, auch existenzieller interner Konflikte und Anlass für narzisstische Kränkungen auf Seiten der Aktivisten. Redaktionssitzungen fanden einst dienstags um 18 Uhr statt — nach Büroschluss, prinzipiell offen für alle Mitarbeiter und auch für Vertreter von Bürgerinitiativen und Vollversammlungen. Es wurde Bier getrunken und geraucht. Nur eine Sache war klar: Ein Sammelsurium von Szenebefindlichkeiten wollte die StadtRevue nie sein, mit dem Volksblatt existierte bereits ein Medium, das sich als authentisches Sprachrohr der Initiativen verstand. Aber was waren wir dann? Ein Instrument, um Gegenöffentlichkeit zu schaffen, um von ihr aus Druck auf das ebenso zähe wie korrupte Kölner Establishment auszuüben? Das wünschten sich viele: die StadtRevue als medialer Arm der sich damals noch als Anti-Partei begreifenden Grünen. Oder war das Heft ein Teil der linken Szene — Gleiche unter Gleichen: nicht über den Aktivisten stehen und erst recht nicht mit coolen Durchblickerposen nerven, aber auch nicht die Erfüllungsgehilfin geben? Letztlich setzte sich in den 80ern diese Position durch.

 

Und dann? Dann fiel die Mauer und »links« galt als unzeitgemäß. Der Häuserkampf in Köln war größtenteils befriedet und der Klüngel erwies sich als so zäh und korrupt wie eh und je. Aus der Anti-Partei war eine System-Partei geworden und Köln wollte zur modernen, schicken Medienmetropole aufsteigen. Nur die StadtRevue war immer noch ein Kollektiv. Im Inneren rumorte es: Weil die Szene, die von uns offensiv und selbstbewusst eine (ihre) Zeitung einforderte, immer kleiner und älter wurde und sich zunehmend um den eigenen Lebensunterhalt sorgte, weil die Zeitung sich also nicht von selbst füllte, stiegen die Ansprüche an die Redaktion und die Autoren: Die sollten nun leisten, was nicht mehr automatisch an die Stadt-Revue herangetragen wurde: Themen setzen, recherchieren, definieren, was an Köln neben Karneval und Klüngel noch existiert. So gelangte eine Generation an die Tastaturen, die sich explizit als Journalisten verstand. Ihr Anspruch in den 90ern war: Gegenöffentlichkeit, aber nicht als Ausdruck einer Partei oder Bewegung, sondern als Ausweis unserer Unabhängigkeit. Der Anspruch ist bis heute geblieben.

 

Es hat in unserer Geschichte viel Abwegiges und Umständliches gegeben, unsere Kräche und Dramen haben wir der Leserschaft nicht selten in seitenlangen Positionspapieren offenherzig mitgeteilt. In Protokollen finden wir ganze Selbstfindungswochenenden dokumentiert, einer von uns kennt noch einen Ex-Kollegen, der da vor zwanzig Jahren mitgemacht hat. Fassungslos habe der auf den allabendlichen Partys auf die Tanzfläche gestarrt, wo die alten StadtRevue-Recken in Socken »abhotteten«. Aber all dieser Narretei, dieser so liebevollen wie unendlichen Anstrengung, diesem heiligen Ernst — Himmel, wir sind eine Monatszeitung, kein Zentralkomitee! — sind wir zutiefst dankbar. Weil sie die Unabhängigkeit der Zeitung und den Eigensinn des Verlags geprägt haben. Nur so konnten wir die Medienkrise der Nuller Jahre, die längst noch nicht ausgestanden ist, überstehen. Wir haben noch Lust auf ein paar Jahre oder Jahrzehnte, und die guten Ideen sind uns nie ausgegangen. Charles Fourier, ein früher Sozialist und der lustigste aller Utopisten, entwickelte vor 200 Jahren das Projekt, die Ozeane mit Limonade aufzufüllen. So verrückt sind wir nicht, aber wir würden darüber berichten.

 

40 Jahre StadtRevue: Freudenfest, Konzert & Party mit Von Spar & Sparkling; DJs: Ida (Mash it up) & Maxwell Ferry, Sa 24.9., Gebäude 9, 20 Uhr