Fürchtet euch nicht!

Zuletzt hatte sich Regisseur Daniel Schüßler im März mit »Büchner« auf eine dramaturgische Spurensuche nach dem Dichter und Revolutionär von einst begeben.  Die Vorlage stammte von Falk Richter, der Büchner-Texte, politische Pamphlete und Heiner Müllers kontrovers diskutierte Dankesrede »Die Wunde Woyzeck« geremixt hatte. Schüßler hatte die Textfragmente erneut aufgesammelt und überzeugend in die politische Gegenwart von sinkenden Flüchtlingsbooten und Rassismus katapultiert. In seinem neuen Stück »German Ängst« greift er mit seiner Gruppe »Analog« wieder ein aktuelles Thema auf. Angstmache hat weltweit Konjunktur. Donald Trump oder Wladimir Putin, sie sind die großen Player. Längst hat sie auch in Deutschland um sich gegriffen. Gleichgültig, welche eigentlich unverzeihbaren Fehltritte sich AfD und Konsorten seit Monaten auffahren, ihre Empörung über die angebliche Islamisierung und oder kriminelle »Ausländer« trifft einen Nerv. Doch Angstschürer nutzen nicht nur geflüchtete Menschen als Feindbild.

 

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht mit einem unheilvollen Unterton vor irgendetwas gewarnt wird: Glyphosat, korrupte Politik, spröde gewordene Atomreaktoren in Belgien. Oder wie Schüßler es beschreibt: »Angst ist das im Schweiße der Medien gebadete Thema von massiver gesellschaftlicher Relevanz, das direkt in aktuelle und zeitlose, lokale und globale Abgründe führen kann.« Denn meist reagieren wir mit Empörung oder moralischer Aufrüstung. Genau diesen Zustand will der Regisseur auf die Bühne holen. Dem Abend liegt dieses Mal kein literarischer Stoff zugrunde. Die Schauspieler haben ihn vor allem in Improvisationen erarbeitet. Statt klassischem Narrativ wird das Erzählen als performative Praxis stattfinden: Angst als kultureller Habitus soll spürbar werden. Deswegen wird sie zunächst gründlich seziert: Wie sieht Angst aus, wie schmeckt, riecht sie? Dann geht es ans Eingemachte: das, was uns bedroht und in welchem Ausmaß. Verraten sei an dieser Stelle schon mal,  »die Ausländer«oder«die Flüchtlinge« sind es nicht.  Den Untergang will Daniel Schüßler an diesem Abend trotzdem nicht abwenden.

 

 

German Ängst — Angst essen Angst auf, R: Daniel Schüßler; 7. (UA), 9.–11.9, Studio-bühne, 20 Uhr