»Wir wünschen uns ja heute Ludwigs!«

Mit einer unkonventionellen Gruppenschau begeht das Museum Ludwig den Höhepunkt seines Jubiläumsjahrs: Direktor Yilmaz Dziewior im Interview über die Ausstellungsidee, Peter Ludwigs Erbe und Wege in die Zukunft

Herr Dziewior, für die Ausstellung »Wir nennen es Ludwig« haben Sie 25 internationale Künstler eingeladen, sich mit dem Haus auseinanderzusetzen. Warum beschäftigt sich das Museum Ludwig zum Jubiläum mit sich selbst?

 

Das finde ich naheliegend. Es gibt diese Institution seit 1976, natürlich ist sie eigentlich älter, weil sie zurückgeht auf die Abteilung der zeitgenössischen Kunst im Wallraf-Richartz-Museum, aber unter dem Namen »Museum Ludwig« gibt es sie seit vierzig Jahren. Da fand ich es eine gute Idee, Künstlerinnen und Künstler einzuladen, um mit uns zu reflektieren, was das Museum ist — indem sie neue Arbeiten produzieren im Bezug auf das Museum, unsere Architektur, Geschichte, Sammlung. Und mir war wichtig, dass die Einladung vom gesamten kuratorischen Team ausgesprochen wird und wir die Künstlerauswahl gemeinsam treffen.

 

War das auch eine Erfahrung von Kontrollverlust?

 

Auf jeden Fall! Ich würde es aber eher als Vertrauen bezeichnen, das man in eine Position hat, die man einlädt. Und dann entstehen Arbeiten ja auch häufig im Dialog: Die Künstler schlagen etwas vor, dann diskutiert man und versucht, den Standpunkt der Institution wiederzugeben.

 

Sie haben in einem Interview gesagt, das Museum schaue mit dieser Ausstellung in einen Spiegel. Inzwischen kennen Sie die meisten Beiträge — was sehen Sie?

 

Wir sehen, dass Peter und Irene Ludwig nach wie vor eine wichtige Rolle einnehmen, obwohl sie schon lange nicht mehr präsent sind. Bei Hans Haackes »Pralinenmeister« haben wir selber die Wahl so vorgenommen. Das ist eine historische Arbeit, die uns allen wichtig war. Aber Marcel Odenbach macht einen Film und eine Collage über das Privatwohnhaus der
Ludwigs; Minerva Cuevas gründet eine Stiftung für Internationale Verständigung, weil das ursprünglich der Titel der Ludwig Stiftung war. Wir sehen auch, dass Josef Haubrich eine Rolle spielt, und wir sehen, dass wir als städtische Institution großen Regularien unterworfen sind, damit befasst sich Maria Eichhorn. 

 

Peter Ludwig wird in der Öffentlichkeit heute fast durchweg als großer Stifter gefeiert, aber er war ja eine sehr ambivalente Figur. Wie ist das heutige Bild?

 

Absolut ambivalent. Das zeigt auch Odenbachs Film: Man merkt, da ist eine große Sympathie, auch Empathie, Odenbach kommt selber aus einem bürgerlichen Elternhaus und daher war ihm vieles vertraut — aber dann sieht man trotzdem im Hintergrund die Arno Breker-Skulptur, die bei Ludwigs im Garten steht. Es ist keine Eloge auf Ludwig oder das Museum!

 

Ludwigs Auflage für die Schenkung 1976 war der Neubau und der Name »Museum Ludwig«. Wie stehen Sie grundsätzlich zu der Praxis, Schenkungen an Bedingungen zu knüpfen, die ja hochaktuell ist?

 

Die ist sehr aktuell, aber wenn ich über die historische Figur Peter Ludwig urteile, muss ich sagen: Wir profitieren natürlich davon, dass er sich so verhalten hat — weil es dieses Haus sonst so nicht gäbe. Es wäre vielleicht immer noch eine Unterabteilung im Wallraf-Richartz-Museum und Köln hätte kein Museum für die Gegenwart. Es ist ja schlimm genug, dass die Stadt Köln ihre Kunsthalle abgerissen hat, und ich bin froh, dass wenigstens diese Institution die zeitgenössische Kunst im Fokus hat. Wir stehen da ja allein mit dem Kölnischen Kunstverein und vielleicht noch Kolumba. Wenn man sich Frankfurt anschaut — wie viele Institutionen haben die für das 20. und 21. Jahrhundert! Im Nachhinein kann die Stadt Köln sich also glücklich schätzen. Wir wünschen uns ja heute Ludwigs! Für ihn war es von Anfang an klar, dass er die Sammlung schenkt und öffentlich zugänglich macht, während heute einige Privatsammler ihre Sammlungen in Museen zwischenparken, um Kosten zu sparen. Nicht alle natürlich. Wir profitieren in Köln nach wie vor sehr von einem anderen Sammlertypus, nämlich von solchen, die uns unterstützen, die wirklich schenken oder Ankäufe für uns tätigen. 

 

Damit steht das Museum insgesamt heute gut da?

 

Die Problematik ist halt: Es geht immer um das Geld. Ausstellungseröffnung, Pressekonferenz, und dann ist die erste Frage: Herr Dziewior, wie teuer war denn die Ausstellung. Die Kuratoren erarbeiten etwas mit den Künstlern, und at the end of the day: Und wie viel ist das Bild wert? Und das ist eine gesellschaftliche Problematik, dass auch Kunst ganz stark als ökonomischer Faktor begriffen wird, als Kapitalanlage. Das hat Vorteile, weil die zeitgenössische Kunst viel mehr Aufmerksamkeit bekommt als früher, auch zum Lifestyle gehört, aber letztendlich überwiegt der Nachteil einer solchen Rezeption — weil die Öffentlichkeit die Kunst dann zu stark unter diesem Aspekt sieht.

 

Treibt Sie eigentlich die Sorge um, dass das Museum seine kulturelle Bedeutung mit jedem Tag mehr verliert?

 

Sicher nicht. Im Gegenteil hat Kultur — ich rede jetzt auch von Theater, Film, Musik — eine immense Bedeutung, es gibt ja Studien, wie sehr sie zur Persönlichkeitsbildung beiträgt. Sie hat gerade in heutigen Zeiten gesellschaftlich große Relevanz, weil sie ein Verständigungsmittel ist, das auch sprachübergreifend funktioniert und Kulturen wirklich verbinden kann. Ich bin alles andere als kulturpessimistisch, sonst würde ich auch in dem Bereich nicht arbeiten.

 

40 Jahre Museum Ludwig, legen wir nochmal 20 drauf: Was wird es dann am ehesten sein, Bildungsanstalt, Eventagentur, ein Investorenmodell?

 

Eventbude sicher nicht, Privatmuseum auch nicht, weil es ein städtisches Museum ist. Ich verstehe unsere Institution schon als Bildungseinrichtung. Ich hoffe, dass in zwanzig Jahren das Haus noch globaler ist als jetzt, daran arbeiten wir. Und ich hoffe, dass es die Gesellschaft noch stärker widerspiegeln wird, das zeigt auch die Jubiläumsausstellung. Ein Anliegen ist es, die Kunst noch besser zu kontextualisieren, dazu haben wir die ersten Schritte mit der neuen Sammlungspräsentation getan: Wir arbeiten mit relativ vielen Saaltexten und integrieren Papierarbeiten, Fotografien, historische Dokumente, um einen Kontext zu schaffen. Was passierte da gleichzeitig, welche Beziehungen gab es, auf welche vielleicht realpolitische Situation reagiert ein Werk? Eine Vorbild-Institution wäre für mich diesbezüglich das Museo Reina Sofia in Madrid, die machen das sehr gut. 

 

Ist das auch der Beobachtung geschuldet, dass dieses Wissen bei vielen Besuchern nicht mehr vorhanden ist?

 

Absolut, ja. Und wir machen die Erfahrung, dass die Leute großes Interesse daran haben. Sie wollen etwas erleben, aber der Mehrwert an Bildung wird angenommen.

 

Was wollen Sie am Ende Ihrer Amtszeit aufs Gleis gesetzt haben?

 

Ich bin ja noch am Anfang! Sie dauert mindestens sieben Jahre. Die Sammlung und ihre Präsentation möchte ich dann weiterentwickelt haben: Mehr Kontextualisierung, mehr Arbeiten von Künstlerinnen, mehr Kunst aus Afrika, Asien, Lateinamerika. Das gilt auch für das Ausstellungsprogramm. Bei den Publikationen können wir hoffentlich noch wissenschaftlicher werden, das Bildungsprogramm mit Vorträgen wird fortgesetzt, wir werden einen neuen Sammlungskatalog herausbringen. Es gibt auch Überlegungen zu digitaler Aufarbeitung, E-Books herauszugeben, mal sehen. 

 

Die Künstler haben ja für die Jubiläumsschau neue Arbeiten produziert. Was passiert mit den Werken nach der Ausstellung?

 

Wenn Sie den Direktor nach seinen Wünschen fragen: Es wäre natürlich toll, wenn wir die eine oder andere Arbeit für das Museum erwerben könnten. Ich gucke schon, was da interessant wäre, aber entschieden wird später.

 

 

 

»Wir nennen es Ludwig« eröffnet am 26.8. um 19 Uhr und läuft bis 8.1.2017. 

Veranstaltungstipp: Performance »Making Trouble With The Guerilla Girls« am 3.9. um 17 Uhr (Kino-Saal), weiteres Programm siehe museum-ludwig.de

 

Die Künstlerliste: 

Georges Adéagbo, Ai Weiwei, Ei Arakawa, Minerva Cuevas, Maria Eichhorn, Andrea Fraser, Meschac Gaba, Guerrilla Girls, Hans Haacke, Diango Hernández, Candida Höfer, Bodys Isek Kingelez, Kuehn Malvezzi, Christian Philipp Müller, Marcel Odenbach, Ahmet Ögüt, Claes Oldenburg, Pratchaya Phinthong, Alexandra Pirici & Manuel Pelmus, Gerhard Richter, Avery Singer, Jürgen Stollhans, Rosemarie Trockel, Villa Design Group, Christopher Williams