Mohamed Achour: genialer Erfinder von Lebensgeschichten, Foto: Tommy Hetzel

Spiel’s noch einmal, Mohamed

Mohamad Achours Version von "Casablanca" führt das Theater als Integrationshelfer ad adsurdum

In der Kulturlinken ist die politische Haltung längst Teil einer Imagepolitik. Man versucht sich seines schlechten Gewissens — angesichts der eigenen Untätigkeit — zu entledigen. Zu dieser diskursmächtigen Behäbigkeit liefert Schauspieler Mohamed Achour mit seiner Version des Filmklassikers »Casablanca« den Soundtrack und führt das Theater als viel zitierten »Integrationshelfer« ad absurdum. 

 

Aber der Reihe nach. Schauspiel Köln 2013: Beim Vorsprechen scheint Intendant und Dramaturg nicht Achours »Hamlet«, sondern vor allem zu interessieren: Kann dieser junge Mann — dessen Agentur erklärt, er habe eine »orientalische Erscheinung« — dem Theater zum moralischen Gütesiegel der political correctness verhelfen? Sie wünschen sich etwas Modernes, etwas aus der »wirklichen« Welt. Mohamed Achour weiß, was: etwas Authentisches, ein Flüchtlingsdrama. Also bekommen sie das. Nur ganz anders. Als Meistererzähler à la 1001 Nacht setzt Achour, 1980 in München geboren, zu seiner vermeintlichen Fluchtgeschichte an, die ihn von Damaskus, der schönen Stadt seiner Kindheit, in die nordafrikanische Küstenmetropole Casablanca führt.

 

Regisseur Rafael Sanchez inszeniert diese meisterhaft verfremdete Abenteuergeschichte, und er hätte kaum einen besseren Stoff für eine Adaption des legendären Klassikers kriegen können. Schließlich wird die marokkanische Stadt am Atlantik auch im Film zum Schicksalsort für gestrandete Flüchtlinge. Antifa-Boys’n’Girls bekommen heute noch Schnappatmung, wenn Humphray Bogart auf die Frage nach seiner Nationalität mit dem Ausruf »Trinker!« antwortet.

 

Der Hang zu witzigen Überhöhungen und Spaghetti-Western gehört bei Sanchez zum Programm: Bereits Ende der 90 Jahre collagierte er in Basel Sergio Leones Kino-Mythos »Spiel mir das Lied vom Tod« als halb fiktive, halb autobiographische Klang-Wort-Komposition neu — und erhielt dafür den Preis der Kriegsblinden. Ob die neue Produktion ähnlich erfolgreich wird, bleibt abzuwarten. Fest steht bereits jetzt: Unverfälschte, exotische Kultur, von der der Standort-Deutsche gerne schwärmt, wird dieses Stück nicht liefern.

 

 

 

»Mohamed Achour erzählt Casablanca«, A: Mohamed Achour, Eberhard Petschinka, R: Rafael Sanchez, Schauspiel, 2. (UA), 7., 28.10. (19.30 Uhr), 16.10. (18 Uhr)