Foto: SC Mülltonn 98

Familienkrach in der Südstadt

Anhänger des Drittligisten Fortuna Köln protestieren gegen hohe Eintrittspreise. Doch es geht um mehr: die Identität eines Fußballvereins

Etwas war anders beim ersten Heimspiel der Saison gegen die Reservemannschaft von Werder Bremen. An den Eingängen zum Südstadion standen neben den üblichen Fortuna-Köln-Anhängern junge Männer in Anzügen und mit Sonnenbrillen und wedelten mit Geldscheinen, die sie großzügig an die anderen Besucher verschenkten.

 

Die Fangruppen SC Mülltonn, Fortuna Eagles, Plääte Köpp Kölle, Schäng Gäng, Fortunasen und Kommando 11. Juni starteten damit ihre Kampagne gegen die hohen Preise für Dauerkarten und Tageskarten beim Drittligisten. »Fußball muss bezahlbar sein!« war auch das Motto während der Partie auf den Stehplätzen der Gegengerade, wo die treuesten Anhänger des Südstadt-Klubs stehen.

 

»Es gibt kein breitenwirksameres Kulturgut in Deutsch-land in den vergangenen 20 bis 30 Jahren als -Fußball«, sagt Max Bank. Der 34-Jährige ist aktives Mitglied und Trommler der Fangruppe SC Mülltonn, einer Gruppe mit Mitgliedern aus der Punkrock-, Skater-, und Sprayer-Szene. Und mit sozialem Bewusstsein: »Fußball war immer den Massen zugänglich. Es muss ein Breitensport bleiben, da sind 14 Euro für einen Stehplatz ein-deutig zu viel.«

 

Vierzehn Euro — die Einzelkarte für einen Stehplatz ist die teuerste in der 3. Liga. Die Dauerkarte kostet 210 Euro. Zum Vergleich: Beim 1. FC Köln sind es lediglich 165 Euro. »Das ist Wahnsinn«, sagt Bank. »Für sozial Schwache, gerade für Schüler und Rentner, sind die Preise viel zu hoch.« Rentner zahlten 25 Euro für einen Sitzplatz. Das könnten sich viele alteingesessene Stadiongänger nicht leisten, so Bank.

 

Auf den Scheinen, mit denen die vermeintlichen Geschäftsmänner winkten, ist das lachende Konterfei von Michael W. Schwetje zu sehen. Er ist verantwortlich für die Preise im Südstadion. Seit 2013 ist der Diplom-Kaufmann, der Ende der 90er Jahre ein erfolgreiches Finanzportal gründete, Geschäftsführer und Investor der Fortuna Köln Spielbetriebs GmbH. Die Proteste könne er verstehen, sagt Schwetje. »Die Eintrittspreise sind ambitioniert. Aber sie sind nicht zu hoch.« 

 

Schwetje begründet die Preise mit ökonomischen Zwängen: »Wir haben nur 2000 Zuschauer, da fehlt was im Vergleich zu Vereinen in der 3. Liga mit 8000 Zuschauern im Schnitt.« Um im Wettbewerb bestehen zu können, müsse er knallhart kalkulieren, sagt Schwetje. »Wenn wir um zwei Euro runtergehen, macht das bei 2000 Zuschauern 4000 Euro. Hochgerechnet auf 20 Spiele liegen wir da bei 80.000 Euro, das ist wichtiges Geld für uns.« Darauf zu verzichten, so Schwetje, würde bedeuten, beim Lizenzspieleretat kürzen zu müssen. Oder aber Mitarbeiter in der Geschäftsstelle zu entlassen.

 

Banks Rechnung ist eine andere: »Wenn die Tickets günstiger wären, kämen mehr Zuschauer. Leute, die sonst FC- oder Gladbachfans sind, aber die Fortuna als Zweit-verein schätzen. Aber denen ist das zu teuer.«

 

Der Protest gegen hohe Eintrittspreise im Fußball ist nicht neu. Schon seit 2010 setzt sich die Initiative »Kein Zwanni« für günstige Tickets ein. »Es gibt natürlich kein Menschenrecht auf Fußball«, sagt Marc Quambusch. »Aber die Verantwortlichen behaupten ja immer, Fußball sei ein Volkssport, und nutzen sehr viel Infrastruktur. Da muss auch etwas zurückkommen.« Quambusch ist 46 Jahre alt, hat eine Dauerkarte bei Borussia Dortmund und ist einer der Initiatoren von »Kein Zwanni«.

 

Gegründet wurde das Bündnis im September 2010. Der Anlass war damals das Bundesliga-Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. Man wollte die ständigen Preiserhöhungen nicht mehr akzeptieren. Die Fan-Initiative hat die Steigerung der Ticketpreise von 2006 bis 2013 untersucht. Die Stehplatzpreise in Dortmund stiegen um 90 Prozent. Die günstigste Dauerkarte für einen Sitzplatz auf Schalke stieg gar um 94 Prozent, von 188 auf 364 Euro. 

 

In Zeiten absurd anmutender TV-Verträge ist immer mehr Geld im Umlauf. Der Protest zieht Kreise. In England kämpft die »Twenty’s plenty«-Initiative für moderatere Preise. Auch in Italien gibt es Proteste, und in Österreich warfen Anhänger von Austria Wien bei einem Auswärtsspiel Schuhe aufs Spielfeld. 

 

Bei der Fortuna ist das Problem ein besonderes. Die Südstädter haben zu viel Konkurrenz in der eigenen Stadt. Der Bundesligist 1. FC Köln ist die Nummer eins, auch die Kölner Haie sind ein Zuschauermagnet. Andere Vereine in der 3. Liga haben diese Probleme nicht. Klubs wie Preußen Münster oder der 1. FC Magdeburg verdienen weitaus mehr durch Sponsoren und den Verkauf von Trikots und Merchandising. So gesehen ist Schwetjes Rechnung nachvollziehbar.

 

Hinzu kommt: Schwetje ist Investor, kein Mäzen. »Wir haben investiert und zahlen weiterhin drauf. Wir wollen auf Sicht auch eine Rendite. Es muss sich lohnen.« Damit sein Engagement kein Zuschussgeschäft bleibt, setzt er auch auf den Ausbau des lukrativen VIP-Bereichs und neue Sponsoren. 

 

Max Bank von der Fangruppe SC Mülltonn beklagt, dass Schwetje ein solventes Event-Publikum gegenüber den alteingesessenen Fans bevorzuge. Schwetje weist das von sich. »Ich freue mich über jeden zusätzlichen Zuschauer, der zu den Heimspielen ins Südstadion kommt«, sagt er. »Richtig ist allerdings auch, dass wir analysiert haben, dass in der Weiterentwicklung der Sponsoring-Umsätze aktuell der deutlich größere Hebel liegt.«  

 

Für Max Bank ist das Finanzielle nebensächlich, ebenso wie die Ligazughörigkeit. Fans wie er waren und wären auch in der fünften Liga mit dabei. Ihm geht es um die Ausrichtung seines Vereins. »Die Frage ist doch: Welche Identität will der Verein Fortuna Köln haben? In Köln ist eigentlich kein Platz für zwei Vereine. Es sei denn, man kann etwas anbieten, das anders ist. Zum Beispiel eine interessante, attraktive Fankultur. Und Raum für alle Schichten.« 

 

Es sind die typischen Konflikte der vergangenen Jahre, die auch am Südstadion ausgetragen werden. Auf der einen Seite stehen diejenigen, für die der Verein Sehnsuchtsort und Heimat ist. Auf der anderen Seite die Manager, die Klubs als Wirtschaftsunternehmen betrachten. Und die mit den Fans und ihrer Vorstellung von Fußball häufig nicht viel anfangen können. 

 

Ende September steht die nächste Mitgliederversamm-lung an — dann werden die Fans noch mal auf Konfron-tationskurs gehen. Die Proteste sollen weitergehen, dras-tische Maßnahmen wie ein Boykott seien nicht ausgeschlossen.  

 

Marc Quambusch hat nicht viel Hoffnung. Zwar habe die »Kein Zwanni«-Initiative einige Erfolge gefeiert. So hat 2011 der 1. FC Köln die Stehplatzpreise auf 16 Euro für die 1. Liga und auf 13 Euro für die 2. Liga festgelegt. Auch Eintracht Frankfurt, der Hamburger SV und Wolfsburg haben mittlerweile Höchstpreise für Stehplätze festgelegt. Trotzdem: »Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, den kannst du nicht gewinnen. Du kannst ihn nur ein wenig aufschieben«, sagt Quambusch.

 

Die Fangruppen am Südstadion machen dennoch weiter. »Wir wollen auch weiterhin etwas real Familiäres«, sagt Max Bank vom SC Mülltonn. »Bei dem von den Anhängern organisierten Saisonauftakt waren die Spieler und der Trainer da und haben sich mit den Fans unterhalten. Das ist in der 3. Liga möglich. Aber das muss man auch aktiv aufrechterhalten.«