Foto: Manfred Wegener

Die Politker machen einen Riesenfehler

Ab 1. März wird die Barmer Siedlung in Deutz dem Erdboden gleich gemacht

In Zeiten der Wohnungsnot eine intakte Siedlung abzureißen – davon würde jeder Marketingexperte jedem Kommunalpolitiker abraten: Das ist nicht zu vermitteln. In Köln geschieht es trotzdem. Das so genannte Barmer Viertel, gelegen zwischen der Messe und dem Deutzer Bahnhof, wird ab 1. März den Baggern und Abrissbirnen übergeben. 381 Wohnungen werden damit verschwinden.
Und das, obwohl der ursprüngliche Grund für den Abriss – der Bau des Jahn-Turms – sich erledigt hat. Weil der ursprüngliche Ankermieter Lufthansa absprang und um den Dom nicht weiter in seinem Status als Unesco-Welterbe zu gefährden, beschloss der Stadtrat im Dezember letzten Jahres, die Hochhauspläne ad acta zu legen und ein neues Konzept für das Areal zu erarbeiten. Die Barmer Siedlung zu erhalten, war für den Rat keine Option.
»Die Politiker machen einen Riesenfehler.« Gunnar Stache von der »Kölner Montagsdemo«, die den Protest gegen den Abriss organisiert, ist aufgebracht: »Das kann eine Sache sein, die die Stadtspitze zu Fall bringt.« Was jetzt von den Demonstranten skandalisiert wird, ist schon vor drei Jahren beschlossen worden: Die Stadt kaufte der Wohnungsgenossenschaft »Erbbauverein« die Barmer Siedlung für 65 Mio. Euro ab. Der Erbbauverein baute für dieses Geld an acht Standorten in der Stadt neue Wohnungen, rund 1000 Menschen wurden in den letzten drei Jahren dorthin umgesiedelt. Vereinbart wurde auch, dass das Gelände geräumt am 1. Juli 2006 der Stadt – und damit einem noch zu findenden Investor – zur Verfügung steht.

Stadt könnte Abriss stoppen

»Doch jetzt wo die Hochhäuser vom Tisch sind, könnte die Stadt ihre Pläne ändern und die Barmer Siedlung stehen lassen«, fordert Gunnar Stache. Baudezernent Bernd Streitberger bestätigt, dass die Stadt den Abriss prinzipiell stoppen könnte – wenn sie denn wollte: »Der Stadtrat ist immer Herr des Verfahrens«. Er rät dennoch davon ab, auch wenn er die Argumente der Gegner verstehen könne. Viele der Häuser im Barmer Viertel seien bereits »im Inneren zurückgebaut«. Das alles wieder rückgängig zu machen, hält er »für keine gute Idee, eine Rückabwicklung würde unterm Strich für die Stadt noch teurer«.
Streitberger setzt indes auf einen neuen Bebauungs- und Nutzungsplan für das Gelände. Der soll jetzt zügig erarbeitet werden. Schließlich tagt im Juli das zuständige Unesco-Gremium, und das erwartet einen Entwurf, der die kritischen Punkte aufnimmt, damit der Dom wieder von der Roten Liste gestrichen wird. Der neue Plan werde eine größtmögliche Beteiligung aller stadtgesellschaftlich relevanter Gruppen sicherstellen, so Streitberger: »Wir werden uns an vier Wochenenden mit rund dreißig Leuten zusammensetzen. Darunter sind Immobilenplanungsbüros genauso wie der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, der die Stadtentwicklung stets kritisch begleitet«.

»Städtebaulicher Wahnsinn«

Klar ist aber, dass das fünf Hektar große Gelände, das nach dem Abriss entstünde, weniger Erlöse einbringen wird als ursprünglich gedacht. Die von der Unesco auferlegte Begrenzung der Bebauungshöhe hat zur Folge, dass weniger Bruttogeschossfläche zur Verfügung stehen wird. Genauso wichtig wie die Erlöse, so Streitberger, sei aber eine gute städtebauliche Qualität der Planung. Dass dazu auch Wohnungen gehören könnten, schließt er nicht aus.
Die Montagsdemonstranten halten das alles trotzdem für »städtebaulichen Wahnsinn« und befürchten, dass ein »riesiges Ghetto« entsteht, in dem vor allem Büros, nicht aber Menschen Platz haben werden.