Mehr bis es zu viel ist

Die Temporary Gallery schlägt den Bogen von Straub / Huillet zu Peter Weiss

Drei Stunden und ungefähr 23 Minuten Verweildauer erfordert die vollständige Betrachtung aller neun Filme und Videos in der Ausstellung »Straub / Huillet / Weiss. Fremdheit gegenüber unserer engen, vertrauten Welt«. Dann ist allerdings noch keine Zeile gelesen (es gibt einiges zu lesen), keine Fotografie betrachtet. Wie also wäre dieser zeitlich und räumlich weit ausgreifenden Zusammenstellung von Werken, Zeitdokumenten, Dokumentationen — die Grenzen sind fließend — angemessen zu begegnen? 

 

Das Gefühl der Unvollständigkeit muss man wohl akzeptieren, zumal die titelgebenden Autoren und Ton-Bild-Künstler alles andere als Leichtgewichte sind. Im Zentrum stehen zwei in der ersten Hälfte der 60er Jahre in Bonn und Köln gedrehte Filme des französischen Regie-Duos Jean-Marie Straub (*1933) und Danièle Huillet (1936–2006). Sie basieren auf Vorlagen Heinrich Bölls, den zweiten Strang liefern die Ereignissen um die Uraufführung des Theaterstücks »Trotzki im Exil« des Schriftstellers Peter Weiss (1916–1982) in Düsseldorf 1970.

 

Bei Straub-Huillet und Böll geht es um das Nichtvergehen des Vergangenen, um linke Subversion, um Kontinuitäten zwischen NS-Zeit und der jungen Bundesrepublik: als gallige Groteske in »Machorka-Muff« (1962), als zerschossene Familienchronik im Fall von »Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht« (1965). Spröde, formal brillant und kühl sind diese exzellent restaurierten Filme. Sie sind als Auftakt eines Ausstellungsbesuchs und überhaupt sehr zu empfehlen.

 

Was es mit den massiven Stör-Aktionen (angeführt von Chris
Reinecke und Jörg Immendorff) anlässlich von Peter Weiss’ Trotzki-Stück auf sich hatte, bleibt anhand der Fotografien von Jörg Boström unklar. Erst das zum Verständnis der Ausstellung unverzichtbare Begleitheft deutet an, dass es weniger um den Autor ging als vielmehr um Aktionen gegen das als elitär-bürgerliche Kunstfestung wahrgenommene frisch eröffnete Düsseldorfer Schauspielhaus.

 

Darüber hinaus geht es in der Schau auch um Denkmäler, Zeit und Zeitläufe, um (vage) biografische und motivische Verbindungslinien, um Formen des Nichteinverstandenseins, um Fortschreibungen bis in die Gegenwart in Werken aktueller Künstler.

  

 

Temporary Gallery, Mauritiuswall 35,
Do + Fr 14–18, Sa + So 13–17 Uhr, bis 18.12.