Die Rubbellos- Hoffnung

PiaMaria Gehle bringt in ungefähr gleich das Scheitern realer Menschen auf die Bühne

Das Heilsversprechen des Kapitalismus: Jeder hat eine Chance. Und, wenn nicht? Intendantin PiaMaria Gehle hat für die Spielzeiteröffnung im FWT ein Stück gewählt, das gut in die Zeit passt, in der viele eifrig in ihrem Hamsterrad laufen und doch scheitern. In »≈ [ungefähr gleich]« des schwedischen Schriftstellers Jonas Hassen Khemiri sind alle verschieden. Die Protagonisten ähneln sich lediglich darin, dass sie nicht ins Gefüge passen. Da sind Filou Peter, der auf der Straße lebt,  Mani, ein prekarisierter Wirtschaftsdozent, der für eine Festanstellung töten würde, seine Ehefrau Martina, eine Angestellte im Tabakwarenladen, die lieber als Selbstversorgerin auf dem Bio-Bauernhof leben möchte. Allen mangelt es ständig an Geld.

 

Gleich zu Beginn macht Khemiri das Rubbellos zum Sinnbild der endlosen Möglichkeiten des Einzelnen im Kapitalismus und des Prinzips the winner takes it all. Mani kauft sich welche, Martina verkauft sie. Nach und nach fügen sich ihre Geschichten zu einem assoziativen Stimmungsbild zusammen. Als Peter dann für Rubbellose von Andrejs kleinem Bruder fünzig Euro ergaunert, eskaliert die Situation. Andrej, der gerade nach seinem Abendkurs die hundertste Bewerbung ins Nichts geschickt hat, zieht los, und es geht nicht gut aus für Peter.

 

Jeder Akt konzentriert sich auf eine der vier Hauptfiguren. Der erste Teil ist stark humoristisch gehalten. PiaMaria Gehle arbeitet mit SlapStick und lässt die Nebenfiguren sehr überdreht spielen, was viele Lacher bringt. Dabei nimmt die Regisseurin die Hauptfiguren aber immer ernst. Fiona Metscher als Martina, der ihre innere Stimme (Anja Jazeschann) immer wieder die Verheißungen des Kapitalismus einflüstert, schafft wohl die plastischste Figur des Abends. In vielen Nuancen wird klar, warum Lebensentscheidungen im Kapitalismus nur eine Farce sein können. Langsam aber sicher erliegt die einstige Tochter aus gutem Hause wieder den Verlockungen der Wohlstandsgesellschaft. Schließlich greift Martina in die Kasse, um sich Parfüm und schicke Kleider kaufen zu können. Und tatsächlich: So sieht sie sich endlich »frei« — nicht mehr abhängig von Arbeit und dem Geld der Eltern.

 

PiaMaria Gehle gelingt eine unterhaltsame und stimmige Inszenierung, die gegen Ende berührende Momente schafft. Der Abend liefert sicher kein avantgardistisches Theater. Er schafft aber ein glaubwürdiges Abbild des Phänomens relativer Armut in unserer Gesellschaft. Ein Stück, das als Spielzeitauftakt auf das politisch engagierte Programm des FWT überzeugend einstimmt.

 

 

≈ [UNGEFÄHR GLEICH], A: Jonas Hassen Khemiri, R: PiaMaria Gehle, 5., 6., 19., 20.10., Freies Werkstatt Theater, 20 Uhr