Wohnungspolitik als Kirchturmpolitik

Die GAG privatisiert Wohnungen in Wesseling. Das ist auch ein schlechtes Zeichen für Köln. Ein Kommentar von Bernd Wilberg

 

Die GAG, die kommunale Kölner Wohnungsgesellschaft, verkauft ihren  Bestand in Wesseling. Zunächst 444 Wohnungen an die »Industria Wohnen«, eine Tochter der Degussa-Bank. Bis zum Jahresende folgen weitere 152. Der Kaufpreis wird geheim gehalten. Dem Vernehmen nach handelt es sich um einen zweistelligen Millionenbetrag. 

 

Die Privatisierung hat für Unruhe gesorgt. In Wesseling ist niemand begeistert, das »Soziale Bündnis Wesseling« organisierte Proteste, als die Pläne durchsickerten. Vergeblich. In Köln scheint die Mieter in Wesseling niemanden zu interessieren, allein die Linke protestierte. Das führt nun zu einem Zerwürfnis mit der SPD im Kölner Rat, wo man gemeinsam in der Opposition arbeitet. Die Linke ist empört, weil SPD-Chef Jochen Ott die Entscheidung als Vorsitzender des GAG-Aufsichtsrates mitträgt. Der aber duckt sich ebenso weg wie die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Privatisierung kommunalen Wohnungsbestands ist in der Kölner Politik ein Tabu. 

 

Nun hört man, die Aufregung sei voreilig gewesen. Die Industria gilt nicht als notorisch, und ein Sprecher bemüht die übliche Rhetorik: Der Konzern strebe an, die Mieter weiterhin wie die GAG zu behandeln. Niemand müsse die Wohnung verlassen, es werde nur moderate Mietsteigerungen geben und keine Modernisierungen. Dennoch ist das Ziel, einen Großteil der Wohnungen weiterzuverkaufen — wenn auch bevorzugt an die Mieter. Wie man das gut machen kann, hat die GAG seit 2003 mit ihrem Programm »Mieter werden Eigentümer« gezeigt. Ob die Industria in diesem Sinne vorgehen wird, kann noch niemand sagen.

 

Was man sagen kann, ist, dass die Kölner Wohnungspolitik überfordert wirkt. Wo bleibt die regionale Zusammenarbeit, die so oft in Sonntagsreden beschworen wird? Die Wohnungsnot wird man nicht innerhalb der Stadtgrenzen bekämpfen können, sondern nur im regionalen Verbund. GAG-Chef Uwe Eichner rechtfertigt den Verkauf damit, dass die GAG sich auf Köln konzentrieren müsse — für die regionale Kooperation seien andere zuständig. Eine Milliarde Euro investiert die GAG in den kommenden Jahren, die Gewinne aus der Privatisierung sollen ins Eigenkapital fließen, um für die kommenden Aufgaben abgesichert zu sein, unter anderem die Instandhaltung von Hochhäusern in Chorweiler. 

 

Das heißt aber auch: Die GAG wird keinen ausreichenden Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot in Köln leisten können. Das muss nicht die Schuld der GAG sein, aber es zeigt sich, dass es längst noch keinen wohnungspolitischen Masterplan gibt, um mehr Menschen bezahlbare Wohnungen anzubieten.

 

Dass die Linke den Vorgang zum Thema gemacht hat, ist richtig. Ebenso ihre Forderung nach einer »Regionalkonferenz Wohnen«. Die Misere hat viele Gründe. Wohnungspolitik als Kirchturmpolitik zu betreiben, ist einer davon.